Bedrohung durch terroristische Gewalt von rechts gab es schon vor dem Neonazi-Trio.

Nun ermitteln also Bundeskriminalamt und Generalbundesanwalt, der Verfassungsschutz ist auch alarmiert. Schon jetzt steht ein wesentliches Ergebnis ihrer Untersuchungen fest: Die Gefahr eines Terrors von rechts ist in Deutschland real. Rund 40 Jahre nach dem Beginn des RAF-Terrors und zehn Jahre nach dem 11. September wird uns schlagartig eine neue Bedrohung bewusst: Nicht nur Linksterroristen und Islamisten, sondern auch Rechtsextremisten sind imstande, Menschen kalt und planmäßig zu töten, die nicht in ihr eigenes Weltbild passen. Der offenbar ebenfalls von dieser Gruppe begangene Mord an einer Polizistin beweist zudem, dass auch Vertreter der Staatsgewalt vor der rechten Gefahr nicht sicher sind.

Die öffentliche Überraschung über diese Tatserie ist auch einem jahrelangen Wegsehen geschuldet. Denn gefährlich sind Rechtsextreme schon seit Langem. 137 Tote durch rechte Gewalt seit 1990 - diese Zahl ermittelten "Zeit" und "Tagesspiegel" im vergangenen Jahr. Doch der Schrecken, den diese Zahl uns einjagen sollte, verflüchtigte sich jahrelang viel zu schnell, weil sich kein Muster bot.

Die Fälle schienen oft die Taten von einzelnen braunen Wirrköpfen zu sein. Beim Wort "Nazi" fiel uns oft nur ein tumber Schlägertyp ein. Einer, an den man zwar nicht geraten will, aber mit dem der Staat schon noch fertigwird. Ein Gefühl echter Bedrohung wollte sich nicht recht einstellen. Der braune Spuk schien sich meist nur in der ostdeutschen Provinz abzuspielen.

Dabei ist Rechtsextremismus ein bundesweites Phänomen: Dortmund gilt als Zentrum für die relativ neue Strömung der autonomen Nationalisten, einer besonders aggressiven Strömung der Rechtsextremisten. Auch das ist noch so weit weg von uns hier im Norden? Falsch. Auch im Kreis Stormarn haben sich beispielsweise Autonome Nationalisten zusammengefunden. In welche Gruppen auch immer Rechtsextremisten sich einteilen lassen: Seit Langem warnen Verfassungsschützer davor, dass die Szene hochgradig gewaltbereit ist und sich immer besser miteinander vernetzt - im Übrigen auch mit der rechtsextremen NPD.

Die Sicherheitsbehörden müssen sich daher nicht den Vorwurf gefallen lassen, auf dem rechten Auge blind zu sein. Dennoch: Jahrelang haben sie sich gescheut, in Fällen von linker oder rechter Gewalt und Einschüchterung das Wort Terrorismus zu verwenden. Dabei müssen nicht immer Menschen sterben oder Bomben explodieren, bevor man von Terror sprechen darf: In manchen ländlichen Regionen berichten Bürgerrechtsaktivisten von offenen Drohungen aus der rechten Szene. Einige von ihnen schauen morgens vor dem Anlassen ihres Wagens sogar nach, ob ihre Bremsschläuche noch intakt sind. Auch eine solche Atmosphäre der Angst darf man getrost als Terror bezeichnen.

Innenpolitiker von Bund und Ländern müssen sich jetzt dafür kritisieren lassen, fahrlässigerweise geglaubt zu haben, dass sich unter den rechten und gewalttätigen Demokratiefeinden niemand finden ließe, der zu gezielten Morden bereit wäre.

Zugute halten kann man Politikern und Ermittlern lediglich, dass sich das Verhalten des enttarnten Terror-Trios von dem anderer Terrorgruppen unterschied. Die Täter töteten, aber sie platzierten keine Bekennerschreiben, stellten keine politischen Forderungen.

Sie hinterlassen aber wichtige Fragen: Sind die toten und verhafteten Neonazis nur eine einzelne Zelle oder hat sich in den letzten Jahren unbemerkt eine "Braune Armee Fraktion" gebildet? Fast genauso wichtig aber ist die Frage: Haben Polizei und Verfassungsschutz wirklich funktioniert oder wurde geschlampt? Eine Demokratie muss sich auf ihre Wächter verlassen können, wenn sie wehrhaft sein will.