Die Taten der Terrorgruppe haben bei Hamburger Migranten tiefe Verunsicherung hinterlassen

St. Georg/Bahrenfeld. Am Steindamm in St. Georg, in dem viele ausländische Gewerbetreibende ansässig sind, ist der Fall der deutschlandweiten Mordserie an Türken und Griechen das Gesprächsthema Nummer eins. "Der gewaltige Hass dieser Neonazi-Bande ist erschreckend - und macht mir Angst", sagt Mehmet Erdogan. Seit 17 Jahren führt der gebürtige Türke nahe des Hamburger Hauptbahnhofs den Sönmez-Supermarkt. Er meint, dass die drei Kugeln, die der Täter am 28. Juni 2001 auf den türkischen Obst- und Gemüsehändler Süleyman T. in Bahrenfeld abfeuerte, auch ihn hätten treffen können. Oder einen anderen Kollegen mit Migrationshintergrund. "Ich hoffe, dass Politik und Polizei dieser rechtsterroristischen Vereinigung nun das Handwerk legen."

Auch dem türkischen Geschäftsmann Ayden, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen möchte, bereitet es Sorgen, dass die drei rechtsextremen Gewalttäter 13 Jahre lang unerkannt ihr Unwesen treiben konnten. "Ich frage mich, wie es dazu kommen konnte. Und ob es jetzt noch weitergeht", sagt der 28-Jährige, der seit fünf Jahren das Döner-Restaurant Beyti Mangal am Steindamm betreibt. Denn er befürchte, dass die Organisation Nationalsozialistischer Untergrund noch mehr aktive Mitglieder habe, die frei rumliefen. "Ich lebe seit 20 Jahren in Deutschland und habe mich hier immer sehr sicher gefühlt." Sein Vertrauen in das Land, in die Polizei, die Demokratie sei immer groß gewesen. "Aber jetzt hat sich etwas verändert", sagt Ayden. "Mein Vertrauen ist etwas erschüttert." Das sieht Murat, ebenfalls Betreiber eines Döner-Imbisses, ähnlich. "Ich verstehe nicht, warum so viele Menschen sterben mussten, warum die Täter nicht vorher gefasst werden konnten."

Auch Harald Winkels, Geschäftsführer der Türkischen Gemeinde in Hamburg, ist erschüttert - vor allem darüber, dass die Terrorgruppe so lange morden konnte, ohne dass auch nur der leiseste Verdacht auf sie fiel. Winkels: "Das wirft schon die Frage auf, ob die Sicherheitsbehörden in diesem Land auf dem rechten Auge blind sind." In den 90er-Jahren sei das Thema Ausländerhass noch viel präsenter gewesen, betont Winkels. Er erinnert sich gut an die Lichterketten rund um die Alster nach den Anschlägen in Rostock, Mölln und Solingen. Viele dieser Erinnerungen kochten bei den Gemeindemitgliedern wieder hoch, sagt Winkels. "Bei dem Gedanken, dass hier ganz gezielt Menschen hingerichtet wurden, weil sie keine "Bio-Deutschen" waren, macht uns Angst." Viele Gemeindemitglieder hofften, so Winkels, dass die Behörden ihr Augenmerk nun wieder mehr auf die Gefahren des Ausländerhasses und der Fremdenfeindlichkeit lenkten.

Dass der Mord an Suleyman T., der Hamburger Fall aus der Döner-Mordserie, nun geklärt zu sein scheint, sorgt auch bei den Geschäftsleuten in der Schützenstraße in Bahrenfeld für Erleichterung. Hier hatte T.s Familie ihren Gemüseladen. Den Laden gibt es lange nicht mehr. Heute ist dort ein kleiner Fahrradladen. Nur der rot-weiße Kachelboden ist geblieben. Ein paar Meter weiter, in der Bäckerei Thraki, wollen sich einige Anwohner daran erinnern, dass die Familie Tasköprü kurze Zeit nach der Tat in einen anderen Stadtteil gezogen sei. Der Kontakt sei abgerissen. Zudem scheint es so, dass ein anderes Ereignis bei den Menschen präsenter ist. Im Mai hatte es bei einem Obst- und Gemüseladen an der Schützenstraße gebrannt. Einige glauben an Brandstiftung.