In Teil 10 unserer Sommerserie “Ich liebe Lüneburg“ geht es auf dem Bock einer Kutsche durch die Altstadt

Lüneburg. "Ich mag diese Stadt, weil hier jeder jeden kennt. Lüneburg ist wie ein großes Dorf - und die Kulisse ist prächtig". Andreas Gensch muss nicht lange nachdenken, wenn man ihn nach den Vorzügen seiner Wahlheimat Lüneburg befragt. Nahezu täglich ist er mit seinen Kutschen in den Altstadtgassen unterwegs, sie gehören längst zum Stadtbild wie die Johanniskirche oder das Rathaus, wo seine Rundfahrten zumeist starten.

Seit 2005 kutschiert Gensch Touristen, Hochzeitspaare wie auch die Teilnehmer von Betriebsausflügen durch die Stadt. Eine Ausbildung zum Stadtführer hat er, das Fahrabzeichen für seine Kutsche und den vorgeschriebenen Personenbeförderungsschein selbstverständlich auch.

Geboren wurde Andreas Gensch als Sohn eines Bundeswehrsoldaten in Berlin, in seiner Kindheit zog es die Familie dann nach Lüneburg. Beruflich hat Gensch vieles ausprobiert, bevor er Fuhrunternehmer wurde: Er hat eine kaufmännische Ausbildung, war in der Landwirtschaft tätig, fuhr einen Reisebus und leitete einen Pflegedienst.

Mittlerweile sind vier seiner Kutschen abwechselnd in der Altstadt unterwegs, nur Montag ist Ruhetag. Sechseinhalb Kilometer legen seine Kaltblüter pro Tag zurück, drei Tonnen Gewicht bewegen sie auf jedem Törn durch die Stadt. "Zweieinhalb Tonnen darf ein Pferd ziehen", sagt Gensch - bei ihm verteilt sich die Last auf zwei Tiere. 75 Minuten dauert die Erlebniskutschfahrt. Mit zwei Pferdestärken geht es vom Mittelalter bis in die Neuzeit einmal quer durch die Stadtgeschichte.

In seinem Ein-Mann-Unternehmen macht Gensch fast alle anfallenden Arbeiten selbst. Hilfe erhält er von ein paar Bekannten, die ihn gelegentlich unterstützen. "Mein Arbeitstag hat normalerweise 14 bis 16 Stunden", sagt Andreas Gensch.

Inzwischen immerhin läuft der Betrieb reibungslos, viele Touren sind ausverkauft. Das war nicht immer so. "Die ersten Jahre waren schwer, die Idee musste sich erst durchsetzen", sagt Gensch. Mittlerweile bekommt er Anfragen aus ganz Deutschland. Kein Wunder, denn Gensch macht die Fahrt durch die alte Salzstadt zu einem Vergnügen: Schließlich kennt er die Stadtgeschichte wie seine eigene Westentasche. Da geht es nicht nur um die Knochen der berühmten Salzsau, sondern auch um eine Telefonzelle mit einem direkten Draht zum lieben Gott.

"Die steht auf dem Lambertiplatz, und zwar dort, wo früher der Altar der inzwischen abgerissenen Lambertikirche stand", sagt Gensch. Wer dort telefoniert, kommt mit der richtigen Vorwahl direkt in den Himmel, flunkert er. "Der Kutscher lügt auf jeder Rundfahrt dreimal. Und wer es nicht merkt, ist selbst schuld", sagt er und lacht.

Auch dass Salzdiebstahl früher mit dem Abhacken der rechten Hand bestraft wurde, berichtet Gensch auf seiner Tour - was unterdessen eine in Gerichtsakten verbürgte Tatsache der Lüneburger Geschichte ist. Diese Art von Strafvollzug mag Touristen heute brutal anmuten, aber: "Salz war das Gold des Mittelalters. Mit einem Sack voll Salz konnte man ein Haus kaufen. Bei meiner Bank würde ich das heute allerdings nicht versuchen", sagt Gensch.

Auf die Idee mit den Stadtführungen im Zuckeltrab kam er, als die Holsten-Brauerei ein Pferdegespann abzugeben hatte. Das Geschäft mit Holsten kam nicht zustande, aber der Gedanke an ein eigenes Fuhrunternehmen ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Seine Idee hat sich durchsetzt - und gehört heute zum Stadtbild wie viele andere Sehenswürdigkeiten.