Die SPD war auf Stimmenfang in der Hamburger HafenCity. Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier glaubt an ein gutes Wahlergebnis.

Hamburg. Das breite Lächeln wollte gestern Abend nicht mehr aus Frank-Walter Steinmeiers Gesicht verschwinden. Der SPD-Kanzlerkandidat war nach Hamburg gekommen, um bei einer Wahlkampfveranstaltung auf den Magellan-Terrassen zusammen mit Arbeitsminister Olaf Scholz noch Unentschlossene zu überzeugen und den eigenen Genossen Mut einzuflößen. Und er hatte aus sozialdemokratischer Sicht gute Nachrichten im Gepäck. Erst wenige Stunden zuvor waren neue Umfragenwerte veröffentlicht worden, die die bisherige Mehrheit des bürgerlichen Lagers schwinden sehen. Seit eine Neuauflage von Rot-Grün unmöglich scheint, heißt das neue Kampfziel der SPD Schwarz-Gelb verhindern und mit einer Weiterführung der Großen Koalition an der Macht bleiben.

Das scheint nun greifbar nahe, und entsprechend selbstbewusst trat Steinmeier auf, nachdem er kurz zuvor noch Altkanzler Helmut Schmidt besucht hatte. "Soll ich Ihnen etwas sagen?", richtet er sich an die rund 4000 Anwesenden. "Besser kann es nicht laufen. Der Vorsprung von CDU und FDP schmilzt wie das Eis in der Sonne." Alles sei wieder offen, war sich Steinmeier sicher. Das Wahlergebnis werde ein ganz anderes sein, als die Umfragen bislang erahnen ließen. "Ich sehe eine starke SPD", sagte Steinmeier.

Der Union unterstellte er, in den letzten Wochen vor der Wahl untätig gewesen zu sein. Statt Vorschläge zu machen, habe sie sich bereits um die Verteilung der Posten nach der Wahl gekümmert. "Die verteilen wieder das Fell des Bären, bevor er erlegt ist", wetterte der SPD-Kandidat mit hochgekrempelten Hemdsärmeln und in die Hüften gestemmten Händen. Für so viel Arroganz, wie sie bei der CDU herrsche, gebe es keine Mehrheit in Deutschland. Und so ging es weiter.

Hatte sich Steinmeier vor elf Tagen im TV-Duell mit CDU-Herausforderin Angela Merkel noch zurückgehalten, stichelte er gestern in Hamburg immer wieder in Richtung Union und Kanzlerin. "Frau Merkel hat sich entschieden: Sie will zurück in die 90er, sie will zurück zum sozialen Kahlschlag", sagte Steinmeier mit Blick auf ihren gewünschten Koalitionspartner, die FDP. Eindringlich warnte er vor einer schwarz-gelben Koalition nach der Bundestagswahl am 27. September. Er unterstellte dem möglichen Bündnis aus CDU/CSU und FDP, die Zweiklassenmedizin einführen zu wollen, die Mehrwertsteuer zu erhöhen und den Mindestlohn selbst in Branchen abschaffen zu wollen, in denen er bereits beschlossen worden sei.

Gleichzeitig stellte Steinmeier die Arbeit seiner Partei in der Großen Koalition heraus. "Wer hat denn gekämpft für das Konjunkturprogramm und für die Verlängerung der Kurzarbeit? Nicht die CDU. Das waren wir!" Was die Union an Vorschlägen zur Bekämpfung der Wirtschafts- und Finanzkrise abgeliefert habe, sei saft- und kraftlos gewesen. "Wer nicht gestalten will in diesem Lande, der muss auch nicht regieren wollen."

Demonstrativ übte Steinmeier den Schulterschluss mit den Gewerkschaften. Diese hatten keine Wahlempfehlungen zugunsten der SPD ausgesprochen. In der Vergangenheit sei das Verhältnis teils schwierig gewesen, erklärte Steinmeier. Doch jetzt "lasst uns nach vorne schauen", forderte er und verwies auf gemeinsame Themen wie Mindestlöhne, Chancengleichheit in der Bildung und gleiche Bezahlung für Frauen und Männer.

Steinmeier hatte sich sichtlich warm geredet. Stärkste Kraft wird die SPD trotz des neu gewonnenen Selbstbewusstseins am Sonntag aller Voraussicht nach nicht werden. Aber die Möglichkeit, der Konkurrenz von Union und FDP ein Bein stellen zu können, ist jetzt da.