Wenige Tage vor der Bundestagswahl zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem bürgerlichen und dem rot-rot-grünen Lager ab.

Berlin. Die Mehrheit für die von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) angestrebte Koalition aus CDU/CSU und FDP ist gestern veröffentlichten Umfragen zufolge nicht mehr sicher.

Während die Union an Zustimmung verliert, macht die SPD seit dem TV-Duell zwischen Merkel und ihrem Herausforderer Frank-Walter Steinmeier weiter Boden gut. Bei den Instituten Allensbach und Forsa schmolz der Vorsprung von Schwarz-Gelb vor SPD, Grünen und Linken auf 48,5 zu 46,5 Prozent und 48 zu 47 Prozent zusammen. Beim Institut Info GmbH, das die Stimmung im Auftrag des "Handelsblatts" gemessen hatte, liegen Union und FDP mit zusammen 46 Prozent sogar drei Punkte hinter den anderen drei Parteien.

Bei CDU und CSU wächst daher die Sorge, dass auf der Zielgeraden wie 2005 die schon sicher geglaubte Koalition mit der FDP noch scheitern könnte. Der CDU-Vize und hessische Ministerpräsident Roland Koch hatte bereits gestern im Hamburger Abendblatt von seiner Partei mehr Einsatz im Wahlkampf gefordert und gesagt: "Niemand sollte glauben, dass wir die Bundestagswahl von der Zuschauertribüne aus gewinnen". Ausgelöst wurden die Verschiebungen in den Umfragewerten laut Forsa-Chef Manfred Güllner durch das TV-Duell zwischen Merkel und Steinmeier. Dem bis dahin hoffnungslos abgeschlagenen SPD-Kanzlerkandidaten sei es mit seinem Auftritt gelungen, einen Teil der SPD-Abwanderer wieder einzufangen. Die Anhänger der Partei stünden nun erstmals geschlossen hinter ihm. "Das Rennen wird wieder knapp. Aber zusammen mit den Überhangmandaten könnte es für Union und FDP eine Mehrheit geben", prophezeite der Meinungsforscher. Die CDU-Vorsitzende gelte zudem weiterhin als sympathischer, fairer und kompetenter. Steinmeier werde aber attestiert, eher auf der Seite der kleinen Leute zu stehen als Merkel. Bis zur Wahl erwartet Güllner kaum noch Wählerwanderungen von einem Lager zum anderen.

Das Allensbach-Institut hält eine geringere Wahlbeteiligung als vor vier Jahren für möglich, als knapp 78 Prozent der Wahlberechtigten votierten. Derzeit liege der Anteil der bereits entschlossenen Wähler seit Wochen stabil bei 65 Prozent, rund fünf Punkte schwächer als 2005, ermittelte das Institut im Auftrag der "FAZ".

Unterdessen hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, den Wahlkampf von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem Herausforderer Frank-Walter Steinmeier (SPD) als zu wenig auf das Christentum bezogen kritisiert. Er würde den Wahlkampf zwar nicht als gottlos bezeichnen, sagte Zollitsch im Deutschlandfunk. "Aber ich vermisse tatsächlich die Besinnung auf die zentralen christlichen Werte."

Zollitsch äußerte außerdem Zweifel an der Machbarkeit des zentralen Wahlkampfversprechens von Union und FDP, nach der Bundestagswahl die Steuern zu senken. "Ich persönlich bin da skeptisch, weil ich mich frage, wie tatsächliche Steuersenkungen finanziert werden sollen." Der Erzbischof warf außerdem allen Parteien vor, in der Wirtschaftskrise nicht offen mit den Wählern umgegangen zu sein. Er habe den Eindruck, dass die Parteien "diesen Fragen ausgewichen sind", sagte Zollitsch. Die Bevölkerung müsse darüber informiert werden, dass das, was heute an Schulden gemacht werde, irgendwann zurückbezahlt werden müsse.