Bundespräsident Wulff will sich vor dem Rauswurf von Thilo Sarrazin juritisch absichern. Wulff verlangte Stellungnahme der Regierung.

Berlin. Bundespräsident Chritians Wulff will sich in der Causa Thilo Sarrazin juristisch absichern. Denn nach der hitzigen politischen Debatte über die Zukunft von Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin dreht sich nun alles um die juristische Bewertung im Fall Sarrazin. Bundespräsident Christian Wulff verlangte gestern vor einer etwaigen Entlassung des Notenbankers eine Stellungnahme der Bundesregierung. Wie das Finanzministerium mitteilte, werde im Hause nun formal geprüft, ob es rechtliche Einwände gegen eine Abberufung gebe.

Zuvor war der Antrag der Bundesbank zur Entlassung ihres Vorstandsmitglieds bei dem Bundespräsidenten eingetroffen. Für die Entlassung eines Bundesbankvorstands gibt es bislang keinen Präzedenzfall. Deshalb war seit Tagen spekuliert worden, ob neben dem Staatsoberhaupt auch die Bundesregierung eingeschaltet werden muss.

Mit der Befragung der Bundesregierung versucht das neue Staatsoberhaupt nun, triftige Gründe für eine Abberufung Sarrazins in die Hand zu bekommen, um diese so gerichtsfest wie möglich zu machen. Rechtsexperten hatten gewarnt, eine Entlassung sei schwer zu begründen.

+++WULFF FORDERT ERKLÄRUNG VON MERKELS REGIERUNG+++

Dennoch hatten sich sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als auch Wulff bereits vor dem Bundesbank-Laufpass für eine rasche Klärung des Falles ausgesprochen. Dabei hatte sich Wulff mehr als amtsüblich herausgewagt: "Ich glaube, dass jetzt der Vorstand der Deutschen Bundesbank schon einiges tun kann, damit die Diskussion Deutschland nicht schadet - vor allem auch international", erklärte er.

Kritiker stellten daraufhin die Frage, ob der Bundespräsident nun noch unabhängig urteilen könne. Nach Ansicht von Hans-Peter Schwintowski, Jurist und Bankenrechtsexperte an der Berliner Humboldt-Universität, bedeuten die Äußerungen von Merkel und Wulff aber noch keine Befangenheit. "Meiner Meinung nach haben sich Merkel und Wulff noch nicht festgelegt", sagte Schwintowski dem Hamburger Abendblatt. Den bisherigen Äußerungen beider entnehme er nur, dass Wulff und Merkel darauf hingewiesen hätten, "dass es gut wäre, wenn sich die Bundesbank mit dem Fall Sarrazin beschäftigt. Ein Jurist käme dabei wohl zu dem Schluss, dass hier nur der Gedanke formuliert wurde, dass der Bundesbankvorstand wegen der turbulenten Debatten vor einer Entscheidung nicht erst wochenlang tagen sollte."

Der Journalist und Fernsehmoderator Michel Friedman bezeichnete im Abendblatt die Abberufung Sarrazins als "konsequent, richtig und wichtig". Ein Bundesbankvorstand müsse besonders auf seine Äußerungen achten: "Die Meinungsfreiheit des Individuums ist unbestritten, die eines Mitglieds einer offiziellen Institution der Bundesrepublik aber beschränkt und von der Privatperson nicht zu trennen, wenn die extremistischen und pseudowissenschaftlich begründeten Thesen auch in der Springerstiefelszene ausgesprochen werden könnten." Die Abberufung könne aber nicht als Vorbild für das Ausschlussverfahren Sarrazins aus der SPD dienen. "In einer Partei ist der Spielraum für politische Äußerungen ein anderer als in einer Einrichtung, die die Bundesrepublik vertritt", sagte Friedman. "Unabhängig davon begrüße ich, dass die SPD Farbe bekennt."

Ein Sprecher der Bundesregierung wies unterdessen Spekulationen zurück, die Bundeskanzlerin habe die Frankfurter Notenbanker unter Druck gesetzt: "Wir haben auf die Unabhängigkeit der Entscheidung des Bundesbankvorstandes hingewiesen", betonte Sprecher Christoph Steegmans in Berlin. Die Meinungsbildung innerhalb der Regierung und im Bundesbankvorstand sei jederzeit strikt getrennt verlaufen.

Sarrazin sagte dem "Tagesspiegel", er habe an Rücktritt gedacht. "Ich habe von Dienstag bis Donnerstagmorgen geschwankt. Der gewaltige Zuspruch war für mich aber Zeichen genug, dass ich nicht nur an meine Bequemlichkeit denken durfte." Ob er klagen werde, wenn er wie von der Bundesbank beantragt, von Bundespräsident Christian Wulff abberufen wird, ließ Sarrazin offen. "Ich habe anwaltliche Beratung zu all diesen Fragen. Mehr möchte ich dazu nicht sagen."

In einem Interview mit der türkischen Zeitung "Hürriyet" wies Merkel die umstrittenen Thesen Sarrazins über muslimische Migranten als abwegig zurück. Es sei "Unsinn", wenn der Bundesbankvorstand den Eindruck erwecke, dass Deutschland durch Türken und Muslime dümmer werde, sagte die CDU-Chefin. Sie könne die Äußerungen Sarrazins nicht akzeptieren. "Sie wirken ausgrenzend. Ganze Gruppen in unserer Gesellschaft fühlen sich dadurch verletzt." Zugleich verlangte Merkel, dass sich Zuwanderer aktiv um Teilhabe am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben bemühten. Unter Integration verstehe sie keine erzwungene Assimilation. "Aber es bedeutet natürlich, Deutsch zu lernen und die deutschen Gesetze einzuhalten", sagte sie.