Die SPD hat heute ein Parteiausschlusverfahren gegen ihr Mitglied, den Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin, auf den Weg gebracht.

Berlin. Jetzt doch: Die SPD hat ein Parteiausschlussverfahren gegen den früheren Berliner Finanzsenator und jetzigen Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin auf den Weg gebracht. Der Parteivorstand habe einstimmig beschlossen, „dass wir ein Parteiordnungsverfahren mit dem Ziel des Ausschlusses von Thilo Sarrazin aus der SPD in Gang setzen wollen“, sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel am Montag vor Journalisten in Berlin. Der 65-jährige habe sich mit seinen Äußerungen über Ausländer und Migranten „außerhalb der sozialdemokratischen Partei und Wertegemeinschaft begeben“.

Sarrazin verteidigte am Montag seine umstrittenen Thesen zur Zuwanderung von Muslimen nach Deutschland. Während sich bei Migranten im Allgemeinen in der zweiten Generation Probleme zum Beispiel mit der Sprache oder beim Umgang mit Ämtern legen, bestünden diese Schwierigkeiten bei Muslimen fort, sagte Sarrazin bei der Vorstellung seines umstrittenen Buches „Deutschland schafft sich ab“ in Berlin. Der Grund dafür könne nur in der Gruppe der Muslime selbst liegen und sei nicht in der deutschen Gesellschaft zu suchen.

Sarrazin wehrte sich gegen die in den vergangenen Tagen geäußerte Kritik und betonte, weiter Bundesbankvorstand und Mitglied der SPD bleiben zu wollen. Den Vorwurf von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Sarrazins Äußerungen seien ausgrenzend und machten „ganze Gruppen in einer Gesellschaft verächtlich“, wollte dieser nicht kommentieren. Er könne sich nicht vorstellen, dass die Kanzlerin schon alle 461 Seiten des Buches gelesen habe, sagte er lediglich.

Sarrazin war bereits nach dem Abdruck von Auszügen aus dem Buch wegen seiner Aussagen zur mangelnden Integrationsbereitschaft von Muslimen in die Kritik geraten. Am Wochenende hatte der Autor mit einer Interview-Äußerung zur „genetischen Identität“ der Völker parteiübergreifend Empörung ausgelöst. „Alle Juden teilen ein bestimmtes Gen, Basken haben bestimmte Gene, die sie von anderen unterscheiden“, sagte er der „Welt am Sonntag“.

Den Vorwurf der Judenfeindlichkeit wies der ehemalige Berliner Finanzsenator zurück. Er habe sich mit seiner Aussage auf aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse gestützt, wonach es „gemeinsame genetische Wurzeln der heute lebenden Juden“ gebe. Damit sei weder eine positive noch eine negative Zuschreibung verbunden.

Sarrazin will trotz Forderungen zum Parteiaustritt in der SPD bleiben. „Ich bin in einer Volkspartei und werde in einer Volkspartei bleiben, weil ich meine, dass diese Themen in eine Volkspartei gehören“, sagte der frühere Berliner Finanzsenator bei der Vorstellung seines Buches „Deutschland schafft sich ab“. Sarrazins Thesen zur Integration hatten auch in seiner Partei heftige Kritik hervorgerufen. Der 65-Jährige warnt davor, dass die Deutschen zu „Fremden im eigenen Land“ werden könnten und forderte strengere Anforderungen an Zuwanderer.

Vorab veröffentlichte Passagen hatten mit Thesen zur Integration Empörung und Abberufungsforderungen ausgelöst. Bundesbank-Chef Axel Weber will sich am Nachmittag äußern. Sarrazin warnt in seinem Buch davor, dass die Deutschen zu „Fremden im eigenen Land“ werden könnten. Vorgestellt wurde das Buch von der türkischstämmigen Sozialwissenschaftlerin Necla Kelek. Vor der Tür protestierten etwa 150 Menschen gegen Sarrazin.

Die Soziologin Necla Kelek hat dazu aufgefordert, die umstrittenen Einwanderungs-Thesen von Sarrazin inhaltlich zu diskutieren. „Hier hat ein verantwortungsvoller Bürger bittere Wahrheiten drastisch ausgesprochen und sich über Deutschland den Kopf zerbrochen“, schreibt die in Istanbul geborene Muslimin in der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Keiner der Kritiker von Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ habe bisher inhaltlich auf die Vorschläge Sarrazins reagiert, geschweige seine Thesen widerlegt.

Kelek stellte das neue Buch Sarrazins am Montagvormittag in Berlin vor. Wegen seiner Thesen zur mangelnden Integrationsbereitschaft von Ausländern war der Autor nach dem Abdruck von Auszügen in die Kritik geraten.

Die Verantwortlichen für den derzeitigen Zustand der Integration wollten Sarrazin mundtot machen, kritisierte Kelek in der FAZ mit Blick auf die Parteien. Der Eindruck dränge sich auf, dass eine längst überfällige Debatte mit „bewährten Begriffen wie Rassismus und Populismus kontaminiert werden soll“. Das Buch sei eine Chance, die Integrationspolitik und damit auch die Zukunft des Landes neu zu denken. Sarrazin fordere die Muslime zu mehr Integrationsanstrengungen auf.