Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin scheint mit dem Rauswurf zu rechnen. Die Diskussion mit Michel Friedman und anderen Kritikern war entlarvend.

Hamburg/Berlin. Er hat es selbst eingestanden: "Ich bin am Ende meines Berufslebens. Ich bin materiell unabhängig.“ Thilo Sarrazin (65) scheint mit seinem Job als Vorstand der Deutschen Bundesbank abgeschlossen zu haben. Was er sagte und wie er bei Frank Plasbergs Talkshow „Hart aber fair“ in der ARD seine Zukunft als Top-Banker einschätzte, das schrieb Bände. Jeder Job sei zeitlich begrenzt. Und: "Ja“, war Sarrazins entlarvende Antwort auf die Frage, ob er deshalb so lange mit seinem provokanten Buch gewartet habe, bis er im Pensionsalter und unabhängig sei. 4,13 Millionen Menschen (17,1 Prozent Marktanteil) sahen nach ARD-Angaben die erregte Debatte, ein guter Wert für Plasbergs Sendung.

Ist der Rauswurf Sarrazins an diesem Donnerstag deshalb nur eine Formalie? Nur unter größten juristischen Anstrengungen und mit dem Nachweis von Verfehlungen kann die Bundesbank ihn hinauskomplimentieren. Sarrazin wirkte bei Plasberg so, als sei ihm der Rücktritt längst nahe gelegt worden. Er wich auf Nachfragen aus – wie schon in der für ihn unangenehmen Debatte über unbeweisbare Thesen, falsche Zitate und schlampige Statistikarbeit.

Nach Informationen der "Berliner Zeitung“ sprach sich der Vorstand der Bundesbank bereits intern für die Trennung von Sarrazin aus. Es gehe nur noch darum, wie man Sarrazins Chancen bei einer Klage gegen den Rauswurf minimieren könne, berichtet die Zeitung. Sarrazin könnte auf Antrag des Vorstandes vom Bundespräsidenten abberufen werden. Bundespräsident Christian Wulff sagte dem Nachrichtensender N24: "Ich glaube, dass jetzt der Vorstand der Deutschen Bundesbank schon einiges tun kann, damit die Diskussion Deutschland nicht schadet – vor allem auch international.“

Sarrazin warf der Bundesregierung bei Plasberg vor, heikle Daten zur Migration und Integration von Ausländern zu verheimlichen. Er habe mehrfach beim Kanzleramt nachgefragt. Ansonsten verstieg sich Sarrazin zu waghalsigen Beispielen, etwa dem Vergleich mit Großbritannien, wo er Migranten mit indischen und pakistanischen Wurzeln in einen Topf warf. Dabei führen gerade diese Nationalitäten in ihren Heimatländern eine erbitterte Auseinandersetzung gegeneinander. Die Briten haben außerdem als ehemalige Kolonialmacht eine andere Einwanderergeschichte als die Deutschen.

Kein Wunder, dass bei der holzschnittartigen Argumentation, die Moderator Plasberg und sein Team mit klugen Nachrecherchen bloßstellten, die Erregung hochkochte. Der Publizist Michel Friedman warf Sarrazin vor: „Ich halte es für gewalttätig und respektlos, so zu reden.“ Die Journalistin Asli Sevindim sagte an Sarrazin gewandt: „Wir haben Integrationsprobleme, aber zur Lösung brauchen wir nicht Sie!“

Friedman führte Sarrazins These von der vererbten geringen Intelligenz der Migranten ad absurdum, was auch Plasberg tat. Der TV-Moderator belegte mit dem Zitat der Professorin Elsbeth Stern (ETH Zürich), dass Sarrazin in seinem Buch ihre Arbeit falsch ausgelegt hatte. Friedman sagte: „Die Mehrheit der Muslime arbeitet fleißig, auch wenn Sie sie beschimpfen. Sie sind eine Schande für die Bundesbank.“

Integration bedeute Sprache und Anerkennung der Rechtsordnung. Kurz und knackig sagte Friedman das und berief sich auf den Grundkonsens der Deutschen, dass die Integration nicht bedeute, sich komplett anzupassen oder die Identität zu verleugnen. Dennoch müsse man die Sprache lernen und die Regeln des Gastlandes oder der neuen Heimat Deutschland verinnerlichen.

Am Ende des Abends stand ein Satz im Raum, den auch der renommierte Historiker Arnulf Baring, der nach kurzem Einnicken Sarrazin oft beisprang, nicht anfechten konnte. Moderator Plasberg sagte nach dem Beweis, dass die Professorin Stern sagte, Sarrazin könne sich nicht auf sie berufen und habe sie falsch verstanden: „Die Frau hat Ihnen die Luft rausgelassen.“