Im Fall Sarrazin haben alle Verantwortlichen alles falsch gemacht.

Es gibt im Leben nur selten Situationen, in denen alle Verantwortlichen wirklich alles falsch machen. Ein trauriges Beispiel dafür ist das Theater um Thilo Sarrazin und seine mit tausend Zahlen getarnten Thesen.

Die Versager der Reihe nach: Den Reigen eröffnete naturgemäß der Mann, der im Laufe einer Woche zum "Fall" hochstilisiert wurde und die längst überfällige Diskussion über Integrationsverweigerer in Gang setzte. Sein Kapitalfehler bestand darin, die jahrelangen Recherchen in Datensätzen, angereichert von Erfahrungen seiner Frau, einer Grundschullehrerin in Berlin, mit dem Unsinn eines Biologismus des 19. Jahrhunderts vermischt zu haben, also einer überholten Weltanschauung, die Abstammung als liebste Begründung für Auffälligkeiten heranzieht. Dass der Autor seine Thesen nicht mal medientauglich präsentieren konnte, soll ihm hier nicht als Fehler angekreidet werden; wohl aber, dass er dennoch jede Gelegenheit nutzte, öffentlichkeitswirksam für sein Buch zu werben, gleichzeitig aber Ausflüchte nutzte, als er gefragt wurde, ob er einen Teil seines Honorars für "seine" vermeintliche Sache, die bessere Integration von Ausländern, stiften wolle. So sieht eine entlarvende Bestätigung des Vorwurfs aus, es gehe ihm gar nicht um die Beseitigung bestehender Probleme.

Gleich an zweiter Stelle der Versagerliste stehen Sarrazins (Noch-)Parteigenossen der SPD, die, statt eine unliebsame Diskussion über die verfehlte Integrationspolitik zu führen, sich lieber des Wortführers entledigen wollen, weil sonst vielleicht herauskäme, dass man als Volkspartei vom Volk gerade nichts wissen will.

Ähnliches gilt für die Merkel-CDU, die nicht abschaffen möchte, dass die Parteien den Vorstand der Bundesbank gern als Abschiebebahnhof abgehalfterter Politiker nutzen.

Dann wäre da noch der Bundespräsident, der seine erste undankbare Aufgabe verpatzt hat. Als Vollstrecker und Unterzeichner von Sarrazins Entlassungsurkunde hätte sich Christian Wulff mit abfälligen Bemerkungen zurückhalten müssen, wenigstens bis zum Votum des Bankvorstandes. So verzichtete er ohne Not auf seine Rolle als letzte, unparteiische Instanz in dem Verfahren.

Das Schlusslicht der Versager bilden zudem all die Heuchler, Besserwisser und Vertuscher, die schon am Tag nach Sarrazins Jobrauswurf und dem drohenden Parteiausschluss verkündeten: Jetzt müssen wir das Thema Integration aber unbedingt anpacken.

Fehlt da vielleicht der Zusatz: Sarrazin sei Dank!?