Debatte um die Lehren aus dem Fall Winnenden ist voll entbrannt. Metalldetektoren an Schuleingängen?

Hamburg. Der Amoklauf von Winnenden mit 16 Toten hat eine Debatte um die politischen Konsequenzen ausgelöst. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) will nach dem Blutbad in Winnenden eine neue Bundesratsinitiative für ein totales Verbot von gewaltverherrlichenden Computerspielen prüfen. "Killerspiele sind schlicht abartig und sollten komplett verboten werden", sagte Schünemann dem Hamburger Abendblatt. Vor drei Jahren sei er damit im Bundesrat gescheitert, da SPD und FDP ein totales Verbot abgelehnt hätten. "Niedersachsen wird prüfen, ob sich nach den schrecklichen Ereignissen unserer Initiative jetzt endlich die Mehrzahl der Länder anschließt. Dann starten wir gegebenenfalls einen neuen Anlauf."

Verstärkte Kontrollen an den Schuleingängen lehnte Schünemann hingegen ab: "Schulen sollten jetzt nicht in Hochsicherheitstrakte umgewandelt werden", sagte der Minister dem Abendblatt. Der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Sebastian Edathy (SPD), hatte zuvor der "Welt" gesagt, er halte den Einsatz von Metalldetektoren an Schulen in Einzelfällen für vorstellbar. "Wichtiger wäre, dass Gewaltprävention überall so wie in Niedersachsen regelmäßiger Bestandteil des Unterrichts ist", sagte Schünemann.

Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) sprach sich grundsätzlich gegen schärfere Gesetze aus. "Mit einem Ruf nach schärferen Gesetzen machen wir es uns zu leicht", sagte sie der "Neuen Presse". Die Waffengesetze und die Vorschriften für gewaltverherrlichende Computerspiele seien gerade erst verschärft worden. Entscheidend sei, dass die Einhaltung der Gesetze kontrolliert werde. Noch wichtiger sei allerdings die Frage, wie frühe Hilfsangebote wirksam verknüpft werden könnten, sagte die Ministerin. Vor einem Amoklauf gebe es Muster, die ihn ankündigten: "Drei Viertel der Täter planen vorher sehr genau, wen und wann sie töten wollen."

Das Thema Gewalt müsse an Schulen offensiv diskutiert werden, forderte die Ministerin weiter. Zwar gebe es bereits Lehrer, die sensibel für Alarmsignale seien: "Das muss systematisiert werden in Fort- und Weiterbildung." Bundesinnenminister Schäuble (CDU) wandte sich ebenfalls gegen schnelle Rufe nach gesetzlichem Handeln. Nach seinem Eindruck sei die Verhinderung eines so schrecklichen Geschehens keine Frage beispielsweise des Waffenrechts, sagte Schäuble. Zu fragen sei eher, ob man mehr Werteorientierung vermitteln, die Familien stärken oder Gewaltverherrlichung in Medien bekämpfen müsse.

Scharf wandte sich Schäuble gegen Politiker oder Experten, die Stunden nach dem Amoklauf schnelle Antworten hätten. Solche "situativen Erregungsprozesse" führten am Ende nur zu Verunsicherung. Er plädiere für ein Nachdenken darüber, was in der freiheitlichen Gesellschaft los sei, dass junge Menschen zu einem solch unfasslichen Handeln kämen. "Es muss betroffen machen, dass Neigungen zu Gewaltexzessen bei jungen Menschen zunehmen", mahnte er.

Kai Gehring, jugendpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, forderte Schulpsychologen für jede deutsche Schule: "Sozial isolierte Schüler brauchen überall einen Ansprechpartner, dem sie sich anvertrauen können", sagte er dem Abendblatt. "Die Länder sollten das dringend prüfen. Auch der Bund könnte sich finanziell im Rahmen des Bund-Länder-Programms beteiligen", so Gehring. Er forderte außerdem, die Zugangsmöglichkeiten zu Waffen weiter zu verschärfen: "Waffen sollten in der Regel zentral und nicht in Privathäusern gelagert werden. Es ist viel wichtiger, hier die Kontrollen und Regeln zu verschärfen, statt unwirksame Verbote von gewaltverherrlichenden Computerspielen zu fordern, die ohnehin überall im Internet abrufbar sind."

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) lehnte ein Verbot, Waffen zu Hause zu lagern, ab: "Denken Sie nur, welch attraktives Einbruchsobjekt sonst ein einsam stehendes Vereinshaus werden würde", sagte sie der "Rheinischen Post".

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sprach sich für technische Zugangskontrollen an Schulen aus. Lehrerverbände lehnten Videoanlagen, Eingangskontrollen und Metalldetektoren in Schulen dagegen kategorisch ab. Der Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbands, Josef Kraus, sagte dem "Handelsblatt", dies würde ein "Big-Brother-Klima" in den Schulen schaffen.