Morgens im Bus hatte sie noch Witze mit ihrer Freundin gemacht. Keine zwei Stunden später, noch vor der ersten großen Pause, war sie tot.

Morgens im Bus hatte sie noch Witze mit ihrer Freundin gemacht. Keine zwei Stunden später, noch vor der ersten großen Pause, war sie tot. Jana Sch. (14), ein lebenslustiges, tanzbegeistertes Mädchen aus dem Ort Weiler zum Stein, ist eines der 15 Opfer des Amoklaufs. Sie starb im Kugelhagel des ausgerasteten Tim K., mitten im Unterricht. Ihre beste Freundin Vivienne Laabs saß zu dem Zeitpunkt ein Stockwerk tiefer. "Es ist unvorstellbar, dass sich innerhalb eines Tages alles ändert", sagt die Achtklässlerin. "Wir hatten noch so viel vor."

Wie Vivienne sucht am Morgen nach dem Amoklauf ganz Winnenden nach dem richtigen Umgang mit der wohl schlimmsten Krise, die die Stadt je erlebt hat. Bürger pilgern zur Albertville-Realschule und legen davor Kerzen ab, Blumen und Beileidsbekundungen. Lehrer und Schüler werden betreut und von der Öffentlichkeit abgeschirmt. Die angrenzenden Schulen haben jedoch beschlossen, wieder Unterricht abzuhalten, um den Kindern einen Rahmen zu bieten, die Ereignisse zu besprechen und zu verarbeiten. "Die haben teilweise Bilder gemacht, auf denen stand ,Polizisten sind Helden'", erzählt ein Lehrer. Noch während des Einsatzes hatte einer der Polizisten vor Ort vom Tod seiner Frau erfahren - einer Lehrerin, die sich möglicherweise dem Täter in den Weg gestellt hatte.

Die schreckliche Tat zu verarbeiten versuchen auch Petra I. und ihr Sohn Adrian. Der Junge war in einer der Klassen, in denen Kinder getötet wurden. "Mein Sohn hat die ganze Nacht nicht geschlafen", sagt Petra I. "Der hat sich immer gefragt, ob denn nun vier oder fünf Mitschüler aus seiner Klasse gestorben sind. Die von der Polizei haben ja nichts gesagt", beschwert sich die Mutter. In Adrians Klasse war auch Ibrahim Y., der einzige männliche Schüler, der von Tim K. erschossen wurde. Seine Freunde haben dem Fußballfan ein Hemd von Ronaldo an den Trauerort gelegt. Doch der Fußball war möglicherweise sein Verhängnis. "Der hatte sich beim Spielen so schwer am Knie verletzt, dass er operiert werden musste und nur an Krücken laufen konnte", berichtet Petra I. Den Erzählungen zufolge war das der Grund, warum Ibrahim nicht schnell genug in Deckung gehen konnte.