Beim Amoklauf in Winnenden hat die Polizei ein neues “Amokkonzept“ angewendet und so offenbar ein noch größeres Blutbad verhindert.

Beim Amoklauf in Winnenden hat die Polizei ein neues "Amokkonzept" angewendet und so offenbar ein noch größeres Blutbad verhindert, sagte gestern Landespolizeipräsident Erwin Hetger. Bisher habe die Polizei bei solchen Einsätzen erst die Lage analysiert und dadurch wertvolle Zeit verloren. Im Unterschied zu früher gingen die Beamten im Fall der Albertville-Realschule jedoch diesmal "gleich rein".

Laut Hetger war es bundesweit bis vor Kurzem noch Philosophie, bei derartigen Amoklagen abzuwarten, bis die Spezialeinsatzkräfte vor Ort sind. Sie gingen dann "ins Objekt", um den Täter zu bekämpfen. "Das hat aber in konkreten Fällen dazu geführt, dass das Einschreiten der Polizei zu spät erfolgte. Deswegen haben wir uns durchgerungen zu sagen, die Erstintervention muss von den Kräften erfolgen, die vor Ort verfügbar sind und sofort - wie es hier gelaufen ist - in das Objekt hineinkönnen." Größere Gefahren für die Beamten würden dabei bewusst in Kauf genommen. Die 14 500 baden-württembergischen Streifendienstbeamten mussten dafür gesondert ausgebildet werden. "Wir haben diese Kollegen geschult und muten ihnen deswegen zu - wie es hier in Winnenden der Fall war -, im Sinne des Erstzugriffs, im Sinne der Erstbekämpfung des Täters ins Objekt einzudringen." Diese Interventionskräfte gebe es bei jedem Polizeirevier.

Die baden-württembergische Polizei hatte ein Trainingskonzept mit Videosimulationen und Rollenspielen entwickelt. Unter zehn verschiedenen Einsatzsimulationen ist auch eine Geiselnahme an einer Schule. Die Beamten müssen vor allem lernen, das richtige Maß zu finden. Sie dürfen nicht wahllos drauflos schießen, aber auch nicht zögern, wenn sie vom Amokläufer bedroht werden. "Ein Amoktäter zögert nicht, er tötet", sagte Hetger. Wichtig ist auch, dass die Beamten sich im Einsatz gegenseitig schützen können - Einzelkämpfer sind nicht gefragt.