Der frühere Chef der Linkspartei fühlt sich fit. Immer mehr Parteifreunde fordern Comeback auf Bundesebene. 2012 könnte sein Jahr werden.

Berlin. Diese im politischen Betrieb als besonders ruhig geltende Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr scheint der Linken nicht sonderlich zu gefallen. Selbst jetzt in den wegen ihrer Friedlichkeit geschätzten Tagen hält die seit Längerem zur Selbstbeschäftigung neigende Partei nur wenig von Harmonie. Sie folgt der Devise: Warum warten, wenn man schon jetzt rhetorisch auf den Showdown hinarbeiten kann? Dieser ist eigentlich erst für den 16. Januar geplant. Dann wollen die Landeschefs mit der Parteiführung beraten, wie es in der Führungskrise weitergehen kann.

Die Linke sehnt sich nach einer Vorentscheidung und offenbar nach einer Befreiung von den nach innen und außen uninspiriert agierenden Parteichefs Gesine Lötzsch und Klaus Ernst. Eines scheint der Linken an Weihnachten klar geworden zu sein: Die Befreiung kann nur Oskar Lafontaine heißen. Der 68-Jährige sieht es langsam, aber sicher genauso. Doch dazu später mehr.

Die Bilder vom gemeinsamen Weihnachtsmarktbesuch an Heiligabend in Saarlouis mit seiner neuen Partnerin, der Vizefraktionschefin Sahra Wagenknecht, bildeten erst den Auftakt für einen Medienrummel, der geradezu inszeniert wirkt. Kaum hatten sich die weihnachtlichen Harmoniebilder aus dem Saarland verbreitet, meldete sich Fraktionschef Gregor Gysi zu Wort, um Lafontaine zu schmeicheln. In seiner derzeitigen Position als Fraktionschef im Saarland sei der frühere Vorsitzende der Linkspartei "ein bisschen unterfordert", befand Gysi. Dann verwies er auf die gute Arbeitsteilung, die man seinerzeit im Bundestag miteinander gefunden habe. "Noch nie haben Sie etwas von mir gegen ihn gehört, umgekehrt genauso wenig, selbst wenn es Ärger gab", sagte Gysi. So klingen politische Freifahrtscheine. Berlins Linke-Chef Klaus Lederer und die hessische Fraktionschefin Janine Wissler wollten ihre Sehnsucht nach Lafontaine auch nicht mehr verbergen. Lederer forderte Lafontaine auf, die Linke gemeinsam mit Gysi in die nächste Bundestagswahl zu führen. Wissler sagte, dass Lafontaine "natürlich" wieder eine größere Rolle spielen solle. Ohne ihn sei "das Projekt Linke" nicht möglich gewesen.

Es würde solche klaren Botschaften kaum geben, wenn Lafontaine nicht nach innen längst signalisiert hätte, dass er wieder bereit ist anzupacken. Die Krebserkrankung, die ihn 2009 zum Rückzug aus dem Bundestag zwang und ihn in der Öffentlichkeit deutlich kürzertreten ließ, ist überwunden.

2012 könnte sein Jahr werden. Im Juni wollen die Linke-Delegierten beim Parteitag in Göttingen eine neue Doppelspitze wählen. Und aus bereits erwähnten Gründen stehen die Chancen für das Führungsduo Lötzsch/Ernst momentan eher schlecht, die Arbeit fortzusetzen. Sollte es so zu einem Mitgliederentscheid kommen, könnte der Frust der Basis noch deutlicher zum Tragen kommen. Es scheint, als habe sich schon heute ein Machtvakuum aufgetan. Und Lafontaine fühlt sich gebraucht. "Ich habe mich in den letzten Monaten schon stärker eingebracht auf der Bundesebene. Und ich will mich auch weiter einmischen", sagte er nun der "Sächsischen Zeitung". Natürlich musste der Linksfraktionschef von der Saar hinzufügen dass er damit nicht über irgendwelche Personalfragen und Führungsfragen in der Linken spekuliere. Doch in seinen Worten ist auch Unzufriedenheit gegenüber der jetzigen Parteiführung abzulesen. "Wir haben zwei gewählte Vorsitzende, und eine linke Partei muss den Ehrenkodex haben, dass sie die gewählten Vorsitzenden in ihrer Arbeit solidarisch unterstützt", sagte der Ex-Parteichef und machte - ohne es zu sagen - klar: Diese zwei Vorsitzenden brauchen inzwischen sogar einen Ehrenkodex als Hilfe, um vor Angriffen Schutz zu suchen.

In der Parteizentrale werden solche Äußerungen zumindest für die Öffentlichkeit anders interpretiert. Parteichef Ernst sagte dem Abendblatt: "Ich habe mir immer gewünscht, dass Oskar Lafontaine wieder fit wird. Jetzt freue ich mich, dass er sich wieder ganz vorn für die Partei engagiert." Betrachtet man Lafontaines momentane Ämter, kann von "ganz vorn" noch nicht die Rede sein. Vielleicht im Juni beim Parteitag, so darf man vermuten, könnte dies schlagartig anders sein. Wahrscheinlicher ist eine Spitzenkandidatur für die Bundestagwahl 2013. Dann säße der frühere Sozialdemokrat wieder in der ersten Reihe des Parlaments, nur wenige Meter von den Fraktionschefs von SPD und Grünen entfernt. Vor allem die SPD beobachtet argwöhnisch den Wirbel um Lafontaines allmähliche Rückkehr ins bundespolitische Rampenlicht. Eine Koalition mit der Linken schließt die Parteispitze für 2013 bislang kategorisch aus - ganz gleich, welche Rolle der ehemalige SPD-Chef bei der linken Konkurrenz ausfüllen mag.

Auch die Parteilinke der SPD hat ein für alle Mal genug von Lafontaine. Eine mögliche rot-rot-grüne Zusammenarbeit mit der schillernden Figur kommt nicht in Betracht. Im Gespräch mit dem Abendblatt bezeichnete Ernst Dieter Rossmann, Sprecher der parlamentarischen Linken der SPD-Bundestagfraktion, Lafontaine als "die tragisch-traurige Gestalt der deutschen Politik". Sein ewiges Wiedergängertum mache die Linke erst recht nicht regierungsfähig. "Dafür braucht es vor allen Dingen kooperative Positionen und verlässliche Praxis in der Außen-, Sicherheits- und Europapolitik." Und diese vermisst Rossmann ganz eindeutig. Er betonte: "Wir kämpfen mit aller Energie für eine starke SPD und für ein stabiles Reformbündnis von SPD und Bündnis 90/Die Grünen und für sonst gar nichts." Klarer kann man Rot-Rot-Grün keine Absage erteilen.