Koalition und Opposition erzielten in einer weiteren Nachtsitzung in Berlin keine Einigung bei der Hartz-IV-Reform. Schuldvorwürfe machen beide Seiten.

Berlin. Es war ein Verhandlungs-Marathon über die Hartz-Reform, an dessen Ende eine Einigung ausblieb. Auch in einer weiteren Nachtsitzung fanden Koalition und Opposition keine Lösung für die künftige Unterstützung für Langzeitarbeitslose. Dies teilten Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) und SPD-Unterhändlerin Manuela Schwesig am frühen Mittwochmorgen in Berlin mit. Sie machten jeweils die Gegenseite für das Platzen der Gespräche verantwortlich. Damit ist unklar, ob und wann Langzeitarbeitslose und ihre Kinder bessere Leistungen bekommen. Es geht um rund 4,8 Millionen Erwachsene und mehr als 2 Millionen Kinder. Von der Leyen setzt nun nach eigenen Worten darauf, dass der Bundesrat trotz des gescheiterten Vermittlungsverfahrens am Freitag den Angeboten der schwarz-gelben Koalition zustimmt. Grünen-Unterhändler Fritz Kuhn schloss jedoch aus, dass einzelne von SPD und Grünen mitregierte Länder umfallen und für die Regierungpläne stimmen könnten. "Wir haben die große Lösung angeboten", sagte von der Leyen. Die Opposition habe jedoch auf Maximalforderungen bestanden. Deshalb sei man leider nicht zu einer Einigung gekommen.

SPD-Vizechefin Schwesig sagte, sie bedaure, dass die Regierung die Verhandlungen abgebrochen habe. "Wir haben ein Gesamtpaket vorgeschlagen." Doch habe Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) offenbar mit einem Machtwort das Scheitern vorgegeben. Die Opposition werde weiter dafür kämpfen, armen Kindern zu helfen. Sie forderte Schwarz-Gelb auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

Genau vor einem Jahr, am 9. Februar 2010, hatte das Bundesverfassungsgericht eine transparente Neuberechnung der Hartz-Sätze verlangt. Von der Leyen will eine Erhöhung des Regelsatzes für Erwachsene um 5 auf 364 Euro und ein Bildungspaket für bedürftige Kinder mit Zuschüssen für Schulmaterial, Freizeitaktivitäten und warmes Mittagessen in Schule und Kita.

Bis zuletzt wurde zum einen über die Berechnung des Regelsatzes gestritten. Die SPD legte ein alternatives Berechnungsmodell vor, um den Vorgaben des Verfassungsgerichts zu entsprechen. Damit wäre die Erhöhung aber auch kaum höher ausgefallen als von der Regierung geplant. Darüber hinaus blieb die Finanzierung des Bildungspakets bis zuletzt ein Zankapfel. Die Bundesregierung hatte angeboten, die kommunalen Kosten der Grundsicherung im Alter zu übernehmen. Bis 2015 würden die Gemeinden damit um insgesamt zwölf Milliarden Euro entlastet, rechnete von der Leyen vor. Die SPD bezweifelte jedoch, dass die neuen Lasten der Kommunen für das Bildungspaket wirklich gegenfinanziert sind.

Dritter Streitpunkt waren bis zuletzt Mindestlöhne und Verbesserungen für Zeitarbeiter. Hier bot von der Leyen Lohnuntergrenzen nicht nur für Zeitarbeiter, sondern auch für den Wachschutz und die Weiterbildungsbranche an. Das Prinzip "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" wollte die Koalition dagegen für mindestens ein Jahr den Tarifparteien überlassen. Erst wenn sich dann keine Lösung abzeichne, solle eine Kommission zur Klärung der Frage eingesetzt werden, sagte von der Leyen. Die SPD wollte dagegen, dass Leiharbeiter bereits nach einem Monat wie die Stammbelegschaft bezahlt werden.

Die Opposition hatte die Reform kurz vor Weihnachten im Bundesrat gestoppt. Seitdem lief das Vermittlungsverfahren. Für Mittwochmittag (11.30 Uhr) ist der Vermittlungsausschuss einberufen. Am Freitag tagt regulär der Bundesrat. (dapd)