Die Familienministerin betont bei den Verhandlungen über einen neuen Regelsatz bei Hartz IV und ein Bildungspaket die Rolle der Kommunen.

Hamburg/Berlin. Es wird eine lange Nacht werden. Vielleicht ist es derzeit das Einzige, was sicher ist. In der Nacht zum Montag entscheidet sich, ob es demnächst einen neuen Regelsatz für Hartz-IV-Empfänger und ein Bildungspaket für bedürftige Kinder gibt. Dann kommen die Spitzen von Koalition und Opposition zur wohl entscheidenden Sitzung der Arbeitsgruppe zur Reform von Hartz IV in Berlin zusammen. Noch immer sind die Fronten verhärtet. Nur eine Einigung macht den Weg frei für das im Bundesrat von SPD und Grünen blockierte Gesetz.

Doch es gibt Fortschritte: Beim Bildungspaket für Kinder von einkommensschwachen Eltern sind sich die Unterhändler aus Union, FDP, SPD und Grünen weitgehend einig. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder zeigt sich gegenüber dem Hamburger Abendblatt zufrieden mit den Ergebnissen der Verhandlungen über das Bildungspaket. "Auch Kinder von denjenigen Geringverdienerfamilien, die ihren Lebensunterhalt selbst verdienen und nur einen Kinderzuschlag erhalten, werden das Bildungspaket bekommen", sagte die CDU-Politikerin. "Dafür hatte ich erfolgreich gekämpft, und deshalb sieht das der Regierungsentwurf bereits vor."

Wenn jetzt auch gering verdienende Wohngeldempfänger in das Bildungs- und Teilhabepaket einbezogen würden, dann sei das ein weiterer richtiger Schritt, sagte Schröder. "Damit bieten wir jetzt mehr als zwei Millionen Kindern neue Chancen!"

Das Bundesverfassungsgericht hatte vor knapp einem Jahr die aktuell noch geltende Hartz-IV-Gesetzgebung als rechtswidrig beurteilt und bis Anfang dieses Jahres eine Neuregelung verlangt. Die Regierungsparteien CDU/CSU und FDP planten dann eine Erhöhung des aktuellen Regelsatzes für Erwachsene um fünf auf 364 Euro. Die nach Alter gestaffelten Sätze für Kinder in Höhe 215, 251 und 287 Euro sollen nicht steigen. Stattdessen sollen ihnen durch ein sogenanntes Bildungspaket Sachleistungen wie Vereinsbeiträge zugutekommen.

Bei der Umsetzung des Bildungspakets ist es laut der Familienministerin Schröder entscheidend, dass die Leistungen auch bei den Kindern ankommen. "Deshalb wollen wir Hilfe aus einer Hand", sagte sie. "Ich habe von Anfang an gesagt, dass die Kommunen das am besten können", hob Schröder im Abendblatt hervor.

Doch nicht alle zeigen sich so zuversichtlich wie die Familienministerin. Das Deutsche Kinderhilfswerk und die SOS-Kinderdörfer bezweifeln die Verfassungsmäßigkeit der Hartz-IV-Planungen. Fehler im Berechnungsverfahren, bei der Festlegung der Referenzgruppe sowie bei der Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe seien aus verfassungsrechtlicher Perspektive für die Berechnung der Regelsätze nicht tragfähig, sagte der Vorstandsvorsitzende des Vereins SOS-Kinderdorf, Johannes Münder. Die beiden Verbände forderten die Politik auf, ein "menschenwürdiges Existenzminimum für Kinder" zu garantieren. Die Berechnung des Regelsatzes für Kinder sei nicht valide, da nur eine kleine Anzahl von Haushalten mit Kindern in die Stichprobe einbezogen worden sei, kritisierte Münder. Bei der Festlegung der Summe für den persönlichen Schulbedarf auf 100 Euro sei "offensichtlich freihändig geschätzt" worden.

Auch bei SPD und Grünen wurden mit dem Näherrücken des Spitzentreffens die Warnungen vor einem "Scheitern" der Gespräche lauter. "Das Falsche will ich gerne blockieren, denn nur so kann man Verbesserungen für die Menschen erreichen", sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel. Wie hoch die Chancen für eine Einigung stehen, ist angesichts der komplizierten Gemengelage schwer abschätzbar.

Die Unionsfraktion zeigt sich bei den schwierigen Verhandlungen zur Hartz-IV-Reform offen für Kompromisse. Die stellvertretende Unionsfraktionschefin Ingrid Fischbach (CDU) sagte: "Bei der Höhe der Regelsätze wird es sicherlich keine großen Spielräume geben. Beim Bildungspaket werden wir aber sicher noch ein bisschen draufpacken." Auch für einen Mindestlohn in der Zeitarbeit zeigte sie sich zuversichtlich. Wie Fischbach rechnet auch CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe mit einer zügigen Einigung von Koalition und Opposition. "Es ist ein zähes Ringen bis zuletzt. Ich bin aber optimistisch, dass wir bald zu einem guten Ergebnis kommen werden", hatte er dem Abendblatt gesagt.

Sollte es Sonntag ein Ergebnis bei den Gesprächen geben, müsste dieses am Mittwoch noch vom Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag gebilligt werden, danach vom Parlament und anschließend von der Länderkammer am 11. Februar.