Bei Hartz IV sollte die Kanzlerin den Stillstand beenden.

Die Blockademacht des Bundesrates kann gewaltig sein. Helmut Kohl erlebte es 1997, als die Steuerreform seiner schwarz-gelben Bundesregierung scheiterte. Unter Gerhard Schröder landete nach dessen Wiederwahl 2002 sogar jedes vierte Gesetz vor dem Vermittlungsausschuss. Ein Vorhaben war seinerzeit besonders heiß umkämpft: die Hartz-Reformen im Herbst 2003. Union und FDP hatten einige Nachbesserungen an dem Entwurf der rot-grünen Bundesregierung verlangt. Nächtelang wurde verhandelt. Die damalige Oppositionsführerin hieß Angela Merkel.

Schon allein deshalb hätte die Bundeskanzlerin es sieben Jahre später besser wissen müssen. Bereits im Vorfeld hatten SPD und Grüne die jetzt anstehende Reform der Reform massiv kritisiert. Trotzdem wurde der Gesetzesentwurf, so wie er war, von Merkels Arbeitsministerin Ursula von der Leyen in den Bundesrat geschickt und von der Opposition blockiert. Angesichts einer fehlenden Mehrheit in der Länderkammer war das keine Überraschung.

Umso blamabler ist, dass die Verhandlungen der vermittelnden Arbeitsgruppe jetzt erneut gescheitert sind. Natürlich ist es wichtig, dass über ein so umstrittenes Gesetz intensiv beraten wird. Lieber gründlich als schnell. Doch ist die Frist des Bundesverfassungsgerichts bereits um mehr als fünf Wochen überschritten und die Verhandlungspartner verheddern sich im juristischen Klein-Klein. Das Ergebnis ist Stillstand. Und Frust bei den Wählern.

Schwarz-Gelb muss gerade erst wieder lernen, was Regieren mit einer starken Opposition heißt. Fünf Jahre lang konnte sich Merkel auf bequeme Mehrheiten in beiden Kammern stützen. Seit der NRW-Wahl im Mai 2010 ist das vorbei. Sollte in 14 Tagen ein SPD-Bürgermeister ins Hamburger Rathaus einziehen, würden sich die Machtverhältnisse im Bundesrat weiter zu Merkels Ungunsten verschieben. Das taktische Kalkül der Kanzlerin wird vor neue Herausforderungen gestellt. Bei allen wichtigen Vorhaben muss sie sich nicht nur mit CSU und FDP einigen, sondern auch mit einer mächtigen Opposition. Auch wenn SPD und Grüne in den Hartz-Verhandlungen nicht alle Forderungen werden umsetzen können: Im Moment sitzen sie am längeren Hebel. Als Realpolitikerin sollte Merkel jetzt einen Schritt auf die beiden Parteien zugehen, um den Stillstand zu beenden. Damit es bei der ersten Kraftprobe nach den veränderten Machtverhältnissen nicht zu einer peinlichen Niederlage kommt.