Familienministerin Kristina Schröder (CDU) über Krippenausbau, Vätermonate - und Versäumnisse der Konservativen.

Hamburg. Fast ein Jahr ist es her, dass Kristina Schröder überraschend in das Kabinett von Angela Merkel nachrückte. Ursula von der Leyen wechselte nach dem Rücktritt von Franz Josef Jung ins Arbeitsministerium, und für die junge CDU-Politikerin aus Hessen war der Weg frei. Zum Wochenauftakt besuchte die Familienministerin die Redaktion des Hamburger Abendblatts - und die Kita "Wolkenzwerge" von Axel Springer. Im Interview dringt Schröder auf einen schnellen Ausbau der Krippenplätze.

Hamburger Abendblatt:

Frau Ministerin, gibt es etwas, das Sie an Ursula von der Leyen bewundern?

Kristina Schröder:

Ursula von der Leyen hat mit dem Elterngeld und der Kinderbetreuung wirklich Meilensteine gesetzt. Und sie lebt vor, wie man in der Politik Familie und Beruf vereinbaren kann. Das ist wirklich bemerkenswert.

Das Elterngeld wird jetzt beschnitten. Reißen Sie ein, was Ihre Vorgängerin aufgebaut hat?

Schröder:

Falsch! Das Elterngeld bleibt in seiner Grundstruktur erhalten und damit auch für Väter, die meist mehr verdienen, weiter attraktiv. Jeder fünfte Papa nimmt heute Partnermonate - das ist ein großer Erfolg, den wir nicht kaputt machen dürfen. Fakt ist aber auch: Ich musste sparen, und ich stehe auch zu diesem Sparbeitrag. Als Abgeordnete habe ich voller Überzeugung der Schuldenbremse zugestimmt. Da kann ich jetzt als Ministerin nicht sagen: Spart überall, nur nicht bei mir. Und: Als Kinder- und Jugendministerin denke ich auch an die nächste Generation - und wir dürfen unseren Kindern keinen Schuldenberg hinterlassen, nur um uns heute Applaus abzuholen.

Die Reichsten und die Ärmsten sollen kein Elterngeld mehr bekommen. Sieht so bürgerliche Politik aus?

Schröder:

Noch einmal: Die Grundstruktur ändert sich nicht. Wer arbeitet und sich für sein Kind eine familiäre Auszeit nimmt, bekommt einen Teil seines Gehaltes ersetzt. Das gilt auch für Hartz-IV-Aufstocker und für Minijobber. Darauf kommt es an. Der Vorschlag, das Elterngeld für Reiche zu streichen, kommt im Übrigen nicht aus meinem Ministerium und ist auch noch in den parlamentarischen Beratungen.

Die Wirtschaft boomt wieder, die Steuereinnahmen sprudeln. Vielleicht muss gar nicht so streng gespart werden ...

Schröder:

Das ist ein Trugschluss. Wir machen ja immer noch massiv Schulden. Erst wenn wir anfangen, Schulden zu tilgen, können wir unsere Sparanstrengungen verringern.

Was bedeutet das für den Ausbau der Vätermonate, auf den sich Union und FDP im Koalitionsvertrag verständigt haben?

Schröder:

Wir können uns die Ausweitung der Vätermonate im Augenblick ebenso wenig leisten wie das Teilelterngeld. Aber die Wahlperiode dauert noch drei Jahre. Ich werde dafür kämpfen, dass wir diese wichtigen Projekte umsetzen, sobald es wieder Spielräume gibt. Wir haben daran gearbeitet, die Gesetzentwürfe sind fertig. Ich hoffe, dass sie noch vor der nächsten Bundestagswahl in Kraft treten können.

Können Sie sich vorstellen, selbst einmal in Elternzeit zu gehen?

Schröder:

Das ist eine ganz private Entscheidung und die werde ich mit meinem Mann besprechen, wenn es so weit sein sollte.

Mutter zu werden als Bundesministerin - ließe sich das vereinbaren?

Schröder:

Warum sollte das nicht möglich sein? In Spanien etwa war die Verteidigungsministerin vor zwei Jahren schwanger, als sie ihr Amt übernahm.

Ihr Mann Ole Schröder, der aus Pinneberg stammt, ist Staatssekretär im Innenministerium. Hat er mehr Freiraum für Kindererziehung?

Schröder:

Wir haben in der Tat beide Ämter, die viel Arbeit und Einsatz fordern.

Von 2013 an soll es für unter Dreijährige einen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz geben. Die Kommunen sehen schon eine Prozesslawine auf sich zurollen ...

Schröder:

Die Kommunen haben die schwere Aufgabe, die Krippenplätze massiv auszubauen. Aber es geht gut voran, mehr als die Hälfte der Mittel ist bereits bewilligt. Wir können das Ziel erreichen, bis 2013 für bundesweit im Durchschnitt 35 Prozent aller Kinder unter drei Jahren einen Betreuungsplatz anzubieten, um den Rechtsanspruch zu erfüllen. Der Bund hält sich an seine Zusage, ein Drittel der Gesamtkosten von zwölf Milliarden Euro zu tragen. Wichtig ist, dass auch die Länder ihren Verpflichtungen nachkommen.

Haben Sie da Zweifel?

Schröder:

Ich höre aus vielen Kommunen, dass das Geld der Länder nicht bei ihnen ankommt. Deswegen haben wir jetzt ein Gutachten in Auftrag gegeben, um das zu überprüfen.

Am Ende werden die Kommunen noch mehr Schwimmbäder schließen - und die Kita-Gebühren erhöhen ...

Schröder:

Natürlich ist der Ausbau der Betreuungsangebote ein echter Kraftakt. Der Bund hat hier seine Prioritäten gesetzt und die Mittel für die Kitas von den Sparanstrengungen ausgenommen. Auch die Länder und Kommunen müssen hier Prioritäten setzen. Schließlich haben wir uns alle gemeinsam - Bund, Länder und Kommunen - auf die Ausbauziele verständigt.

Die Menschen in Hamburg laufen Sturm gegen höhere Kita-Gebühren ...

Schröder:

Ich kann die Menschen verstehen. Aber die Städte und Gemeinden haben große finanzielle Lasten zu schultern. Genügend Krippenplätze gibt es eben nicht umsonst. Manche Kommunen sehen dann nur einen Ausweg, indem sie die Gebühren erhöhen. Immer mehr Kita-Plätze und alle umsonst - das wird nicht gehen.

Woher sollen die vielen guten Erzieher kommen?

Schröder:

Wir müssen mehr und besser ausbilden. Bis 2013 fehlen noch rund 8000 Erzieherinnen und Erzieher. Wichtig ist vor allem, mehr Männer für diesen Beruf zu begeistern. Ein Verhältnis von 50 zu 50 werden wir wahrscheinlich nie erreichen. Aber ich hätte gerne in jedem Kindergarten mindestens einen männlichen Erzieher. Deswegen starte ich auch ein Projekt mit der Bundesagentur für Arbeit: Wir bieten geeigneten und interessierten Arbeitslosen an, sich umschulen zu lassen.

Malermeister in die Kitas?

Schröder:

Wenn sie dafür geeignet sind, warum denn nicht? Ich bin mir ganz sicher, dass gerade ein gestandener Malermeister auf seine Art in den Kitas super ankommen könnte. Die Kinder lernen Dinge, die ihnen die Erzieherin nicht mitgeben kann. Brandenburg hat mit einem solchen Modell schon Erfolg. Die umgeschulten Männer werden sogar für Kitas in anderen Bundesländern abgeworben. Darüber hinaus will ich ab dem nächsten Frühjahr 4000 Teilzeit-Erzieherstellen in sozialen Brennpunkten einrichten. Für jede der 4000 Kitas gibt der Bund 25 000 Euro im Jahr aus.

Setzen Sie da ebenfalls auf Arbeitslose?

Schröder:

Was wir da brauchen, sind qualifizierte Erzieherinnen und Erzieher, die sich ausschließlich um Sprachförderung kümmern. Das ist im Übrigen auch eine große Chance für junge Migranten! Wer hervorragend Türkisch und Deutsch spricht, hat eine Schlüsselqualifikation für diese Aufgabe. Ich appelliere jedenfalls besonders an Männer, sich für dieses Programm zu bewerben.

Sie haben ein Konzept zur Familienpflegezeit entwickelt, das zu einem Aufschrei in der Wirtschaft und beim Koalitionspartner FDP geführt hat. Bessern Sie es nach?

Schröder:

Ich bin gerade mitten in den Gesprächen mit den Fraktionen von Union und FDP. Uns alle eint das Ziel, Angehörigen von Pflegebedürftigen mehr Zeit für Verantwortung zu geben. Deshalb bin ich sehr optimistisch, dass wir uns rasch einigen werden.

Wird es einen Rechtsanspruch auf bezahlte Teilzeit geben?

Schröder:

Mein Konzept sieht vor, dass ein Mitarbeiter die Arbeit für zwei Jahre um 50 Prozent reduzieren kann, wenn dieser einen pflegebedürftigen Angehörigen betreuen möchte. In dieser Zeit erhält der Mitarbeiter drei Viertel seines Gehalts. In den nächsten zwei Jahren arbeitet er wieder voll - ebenfalls für drei Viertel des Gehalts. Die Details bespreche ich gerade mit den Fraktionen.

Können Sie den Unternehmen die Sorge nehmen, dass Belastungen auf sie zukommen?

Schröder:

Ja. Die Familienpflegezeit kostet die Wirtschaft keinen Cent. Die Unternehmen bekommen ein zinsloses Darlehen von der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Sie sind abgesichert, falls Mitarbeiter nach der Pflegezeit den Betrieb verlassen.

Frau Schröder, in der CDU vollzieht sich ein Generationswechsel. Stärkt das die Partei?

Schröder:

Natürlich. Die CDU hat viele neue Gesichter, die richtig stark sind: Norbert Röttgen, Julia Klöckner, David McAllister, Christian von Boetticher ...

... Christoph Ahlhaus ist auch erst 40.

Schröder:

Sehen Sie! Als Hessin finde ich natürlich, dass wir mit Roland Koch einen großen Verlust haben. Es gibt kaum einen Politiker, der konzeptionell so brillant ist wie er. Aber wenn ich schaue, wer nachkommt, bin ich ausgesprochen optimistisch.

Kritiker fürchten, die CDU verliere ihren konservativen Markenkern ...

Schröder:

Mein Eindruck ist: Der Ruf nach dem Konservativen in der CDU richtet sich eher an die Form, nicht den Inhalt. Angela Merkel ist manchen in der CDU in ihrer Art und Weise vielleicht nicht konservativ genug.

Weil sie zu selten auf den Tisch haut?

Schröder:

Natürlich haut sie auf den Tisch. Aber Frauen führen eben anders, mit weniger Show. Wichtiger ist der Inhalt: Und da haben in unserer Partei konservative Positionen nach wie vor ihren Platz. Das Problem ist nur, dass diese Konservativen auch etwas Inhaltliches liefern müssen. Sie verhalten sich aber eher so, als seien sie der Aufsichtsrat. Dabei liegt es doch an ihnen selbst, das konservative Profil der CDU zu schärfen.

Wie konservativ sind Sie?

Schröder: Ach wissen Sie, ich passe in diese Schubladen nicht rein. Als Innenpolitikerin habe ich immer eine härtere Haltung vertreten. In der Familienpolitik bin ich eher liberal. Und ich bin auch ganz froh darüber, dass man mich nicht so leicht festlegen kann.

Das Interview führten Jochen Gaugele, Claus Strunz und Christian Unger