Ministerpräsident Mappus will mit Heiner Geißler das verfahrene Projekt Stuttgart 21 voranbringen. Er soll die Gespräche zum Laufen bringen.

Stuttgart. Heiner Geißler ist Kummer gewohnt. Bei Tarifverhandlungen für Bau und Bahn musste der Ex-CDU-General als Schlichter schon häufiger Auswege aus so mancher Sackgasse finden. Jetzt hat ihm der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) die wohl schwerste Aufgabe angetragen , die es derzeit in der Bundesrepublik zu lösen gibt: Der 80-jährige Geißler soll die völlig festgefahrenen Gespräche um den Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs und den Ausbau der Bahntrasse Wendlingen-Ulm wieder zum Laufen bringen. Vor allem nach der gewaltsamen Auflösung einer Demonstration gegen Stuttgart 21 hatten sich die Fronten extrem verhärtet.

Mappus schlug Geißler während seiner gestrigen Regierungserklärung vor - und erntete zum ersten Mal seit Tagen Zustimmung aus den Reihen der politischen Gegner. Der frühere Bundesfamilienminister kenne das Land und genieße Ansehen über Parteigrenzen hinweg, lobte der Regierungschef. Der promovierte Jurist Geißler war vorübergehend Mitglied des Jesuitenordens, dann Amtsrichter und Sozialminister in Rheinland-Pfalz unter den Ministerpräsidenten Peter Altmeier und Helmut Kohl (beide CDU). 1977 wurde Geißler CDU-Generalsekretär. 2002 zog er sich aus dem politischen Tagesgeschäft zurück. Jetzt engagiert er sich für das globalisierungskritische Netzwerk Attac und setzt sich für das Recht auf gewaltfreie Demonstrationen ein.

Der stellvertretende SPD-Fraktionschef im Landtag, Nils Schmid, begrüßte zwar die Benennung von Geißler als Schlichter. Dies ändere aber nichts daran, dass letztlich die Bürger über das Projekt entscheiden müssten. Grünen-Fraktionschef Winfried Kretschmann sagte, seine Partei könne Geißler als Vermittler akzeptieren. Ein Dialog setze aber voraus, dass Mappus den Protest und die Argumente der Projektgegner ernst nehme. Notwendig sei zudem ein vorläufiger Vergabe- und Baustopp. Im Übrigen müsse sich Mappus für den harten Polizeieinsatz entschuldigen. Das hat der Regierungschef allerdings schon abgelehnt.

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Umwelt- und Verkehrsministerin Tanja Gönner (CDU) beschwor die Opposition im Landtag, Geißlers Aufgabe nicht durch Vorbedingungen zu erschweren. "Man sollte ihm keine Hürden in den Weg legen."

Unabhängig von der Ernennung Geißlers konnten gestern die Befürworter des Bauprojekts einen Teilerfolg verzeichnen. Denn zumindest juristisch stehen einem Umbau des Hauptbahnhofs keine Hindernisse mehr im Weg. Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart bestätigte eine Entscheidung des Landgerichts vom Mai, nach der ein Teilabriss vom Eigentümer der Urheberrechte hinzunehmen sei.

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Geklagt hatte der Stuttgarter Architekt Peter Dübbers, Enkel des Bahnhoferbauers Paul Bonatz (1877-1956). Weil der Nordflügel des Bahnhofs bereits abgetragen ist, führte der Bonatz-Nachkomme gegen die Deutsche Bahn nun auch eine Schadenersatzklage, die ebenfalls abgewiesen wurde.Unterdessen wurde bekannt, dass zwei beim Polizeieinsatz im Stuttgarter Schlossgarten verletzte Demonstranten zu erblinden drohen. Einer der Männer, ein 66-Jähriger, müsse erneut an den Augen operiert werden, sagte eine Sprecherin des Katharinenhospitals gestern in Stuttgart. Die Lider seien zerrissen, der Augenboden eines Auges gebrochen, die Netzhaut vermutlich eingerissen, die Linsen seien zerstört und müssten durch Kunstlinsen ersetzt werden. Der Patient "ist im Moment erblindet", hieß es. Auch ein 22-jähriger zweiter Demonstrant müsse erneut behandelt werden. Über bleibende Schäden konnten die Ärzte bei beiden noch keine Angaben machen. Beide Demonstranten waren vom Strahl eines Wasserwerfers im Gesicht getroffen worden.