Bundespräsident Wulff muss nicht mehr über umstrittene Abberufung entscheiden. Thilo Sarrazin hat seinen Rückzug bekannt gegeben.

Potsdam. Er habe in den vergangenen 14 Tagen "massiven Druck" gespürt, sagte Thilo Sarrazin gestern Abend bei einer Lesung seines umstrittenen Buches "Deutschland schafft sich ab" in Potsdam. "Das war für mich nicht einfach." Er habe sich überlegt, ob er es sich leisten könne, sich "mit der gesamten politischen Klasse in Deutschland anzulegen", sagte Sarrazin. "Diese Situation hält auf Dauer keiner durch", lautete die Begründung, warum er sich mit der Bundesbank auf sein Ausscheiden als Vorstand am Ende dieses Monats geeinigt hat.

Christian Wulff erreichte die befreiende Nachricht im Schloss Bellevue. Der Bundespräsident hatte unmittelbar nach Rückkehr von seiner Staatsvisite in der Schweiz gestern Abend seinen Arbeitsplatz im Zentrum Berlins aufgesucht, um sich über den letzten Stand der Affäre um Sarrazin zu informieren. Da lag bereits das Entlassungsersuchen des umstrittenen Bundesbankers bereits auf seinem Tisch. Das Aufatmen am Präsidentenamtssitz war groß. Wulff-Sprecher Olaf Glaeseker gab bekannt: "Der Bundespräsident wird dem Antrag von Herrn Sarrazin entsprechen und begrüßt die einvernehmliche Lösung mit der Deutschen Bundesbank."

Der Streit um den Verbleib des Noch-SPD-Mitglieds Sarrazin aus der Bundesbankspitze hatte zuvor gedroht Wulffs Präsidentschaft schon zu Beginn schwer zu belasten. Denn der neue Bundespräsident hatte frühzeitig Bemerkungen zu dem Fall gemacht, die als Vorverurteilung interpretiert wurden.

"Ich glaube, dass jetzt der Vorstand der Deutschen Bundesbank schon einiges tun kann, damit die Diskussion Deutschland nicht schadet - vor allem auch international" - dieser Satz von Wulff wenige Tage vor der Entlassungsentscheidung der Frankfurter Notenbank hatte heftige Kritik ausgelöst.

Der Bundespräsident war offenbar der Auffassung gewesen, dass die Bundesbank mehr hätte tun sollen und können, um die Affäre gesichtswahrend für alle Seiten zu lösen. Noch nie musste ein Staatsoberhaupt einen Bundesbank-Vorstand entlassen.

Seit der Ball nach dem Abberufungsbegehren der Bundesbank offiziell in seinem Feld lag, hatte Wulff eisern zur Causa Sarrazin geschwiegen. Mit der jetzigen Lösung - Rücknahme des Entlassungsantrags gegen Sarrazin von der Notenbank, einvernehmliche Trennung zum Monatsende - ist der Bundespräsident aus dem Schneider. Der Fall Sarrazin aber ist noch nicht ausgestanden. Der Streit um seine angreifbaren Thesen zur Integrationspolitik dürfte weitergehen.