„Es gibt keinen kurzen Prozess.“ Der Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin hat von sich aus aufgegeben. Gibt er auch das Parteibuch ab?

Berlin/Potsdam. Der Provokateur hat seinen Job aufgegeben. Doch die Sozialdemokraten nennen ihn noch immer „Genosse“. Nach dem Rücktritt von Thilo Sarrazin als Bundesbankvorstand will die SPD mit ihrem ungeliebten prominenten Mitglied eine öffentliche Debatte über seine umstrittenen Äußerungen führen. Sarrazin hatte mit seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ eine Diskussion über Muslime, Integration und Rassismus ausgelöst. Seine Thesen zur Vererbung von Intelligenz sind von Fachleuten angezweifelt worden. Sarrazin selbst hat mittlerweile einige unglückliche und dumme Bemerkungen eingestanden.

SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte in der ZDF-Sendung von Maybritt Illner, niemand in seiner Partei habe vor, mit Sarrazin im Zuge des Parteiausschlussverfahrens hinter verschlossenen Türen „kurzen Prozess“ zu machen. Klar sei aber auch, dass die SPD nicht identifiziert werden wolle mit Aufforderungen an den Staat, über Vererbung in die Bevölkerungsentwicklung einzugreifen. Das heißt: erst Diskussion, dann Rauswurf.

Sarrazin müsse im Zuge der Diskussion sagen, ob er „diese Eugenikdebatte“ aufrechterhalte oder nicht, sagte Gabriel. Davon werde die Entscheidung über den Parteiausschluss abhängen. Vorwürfe, die Sozialdemokraten verletzten im Fall Sarrazin die Meinungsfreiheit, wies der Parteichef zurück. „Kaufen Sie das Buch und lesen Sie es bis zur letzten Seite“, empfahl Gabriel seinen Mitdiskutanten in der Talkshow.

Nur dann könne man verstehen, warum die SPD nicht mit Sarrazins Schlussfolgerungen in Verbindung gebracht werden wolle. Sarrazin hatte am Donnerstagabend seinen Rückzug aus der Bundesbank verkündet. Damit wird Bundespräsident Christian Wulff die Entscheidung abgenommen, ob und wie er ein Ablöseverfahren des umstrittenen Bundesbankvorstandes einleitet.

Das gesamte Verfahren um die Parteimitgliedschaft werde „eine ganze Weile dauern“, kündigte Gabriel an. Eine bundesweite Mitgliederbefragung zum Parteiausschluss Sarrazins lehnte der SPD-Chef ab. „Das sieht das deutsche Parteiengesetz nicht vor.“

NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hat sich für einen Parteiausschluss Sarrazins ausgesprochen. Sarrazin habe Grenzen überschritten, sagte Kraft der „Neuen Westfälischen“. Was die SPD seit 147 Jahren zusammenhalte, sei ihre Toleranz und ihre Schutzfunktion für Minderheiten. Die Sozialdemokratie grenze niemanden aus, sagte Kraft. „Da hat Sarrazin eine Grenze überschritten.“