Der Öko-Energie-Fonds der Bundesregierung soll offenbar AKW-Betreiber bei teuren Nachrüstungen der Atomkraftwerke absichern.

Berlin. Die Bundesregierung will die Betreiber der Atomkraftwerke im Zuge der Laufzeitenverlängerung offenbar gegen teure Sicherheitsauflagen absichern. Bei fälligen Nachrüstungen dürfen die Konzerne ihre Zahlungen für den Öko-Energie-Fonds reduzieren. Die Beiträge der Industrie für diesen Fonds minderten sich, wenn neue Nachrüstungs- oder Sicherheitsanforderungen die Summe von 500 Millionen Euro pro Kernkraftwerk übersteigen würden, heißt es in einem Vertragspapier, das gestern in Berlin bekannt wurde. In Kreisen der Energiebranche wurde der Passus "folgerichtig" genannt. Da erhöhte Aufwendungen für die Laufzeitenverlängerung die Gewinne schmälerten, müsse auch die Gewinnabschöpfung über den Fonds gekürzt werden, hieß es. Darauf sollen sich Vertreter von Finanzministerium und AKW-Betreibern am Rande des Atomgipfels der schwarz-gelben Koalition am vergangenen Wochenende geeinigt haben.

SPD und Grüne forderten die Regierung zur sofortigen Offenlegung der Vereinbarung auf. Laut Opposition wurde diese offenbar schon mit den Betreiberfirmen der Atomkraftwerke unterzeichnet. Der Eindruck, dass es Geheimabsprachen mit den Atomkonzernen gebe, sei unerträglich und stehe im Widerspruch zur Verfassung, schrieben die Grünen-Fraktionsvorsitzenden Renate Künast und Jürgen Trittin an Bundeskanzlerin Angela Merkel. Der geschäftsführende SPD-Fraktionschef Joachim Poß bezeichnete die Geheimhaltung in seinem Schreiben als einen "unhaltbaren Zustand für eine offene Demokratie".

Die Bundesregierung reagierte umgehend auf die Kritik. "Natürlich wird das demnächst öffentlich gemacht", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert der "Financial Times Deutschland". Das Papier werde allerdings zunächst den Koalitionsfraktionen von Union und FDP zugeleitet - und danach veröffentlicht.

Bärbel Höhn, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Deutschen Bundestag, zeigte sich über dieses Prozedere empört. Sie sprach von einem "Geheimvertrag" der Bundesregierung mit den Stromkonzernen und sagte dem Hamburger Abendblatt, es bleibe der Eindruck, dass "getrickst und getäuscht" worden sei. "Wir haben den Verdacht, dass in dem Vertrag aber noch unangenehme Dinge für die Regierung stehen könnten. Ansonsten lässt sich die Geheimhaltung nicht erklären."

Höhn warf der Bundesregierung vor, sie habe sich von den Atomkonzernen in den Verhandlungen um die Verlängerung der AKW-Laufzeiten über den Tisch ziehen lassen. "Es ist erschreckend, dass sich die Atomkonzerne bei den Sicherheitsnachrüstungen mit so niedrigen Standards durchgesetzt haben", sagte die frühere nordrhein-westfälische Umweltministerin. "Bei den alten und pannenanfälligen Meilern wie Brunsbüttel oder Biblis A soll nichts Entscheidendes nachgebessert werden, bei den neueren Anlagen ebenso", monierte Höhn.

"Röttgen wollte ursprünglich bei einer zwölfjährigen Laufzeitverlängerung Nachrüstungen in einer Höhe von 20 Milliarden Euro durchsetzen. Jetzt werden es höchstens ein bis zwei Milliarden, wobei auch die fraglich sind", kritisierte Höhn weiter. Denn die Bundesregierung wolle die existierende Nachrüstliste nicht mehr mit einem frühzeitigen Umsetzungsfaktor versehen. "Damit können die Nachrüstungen seitens der Atomkonzerne auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben werden", lautete Höhns Vorwurf. Die Sicherheit sei "bei der merkelschen Energierevolution unter die Räder gekommen". Die dynamische Sicherheitsnachrüstung von Bundesumweltminister Norbert Röttgen entpuppe sich immer mehr "als gefährliche Luftnummer, die uns dynamisch verstärkt ins atomare Risiko führt".

Der Atomkompromiss könnte nach Informationen von "Financial Times Deutschland" und "Süddeutsche Zeitung" dem Staat allerdings höhere Einnahmen als bisher bekannt einbringen. Die ab 2017 von den Energiekonzernen zu leistenden Zahlungen in den neuen Energiefonds seien sowohl an die Inflationsrate als auch an die Entwicklung der Strompreise gekoppelt, hieß es unter Berufung auf das von der Regierung bislang nicht veröffentlichte Papier. Stiegen die Großhandelspreise über 63 Euro je Megawattstunde, schöpfe der Staat zusätzlich zu den vereinbarten neun Euro je Megawattstunde die Hälfte der Differenz ab. Bei 70 Euro seien das weitere 3,50 Euro je Megawattstunde. Damit könnte der Staat deutlich mehr als die bisher genannten rund 30 Milliarden Euro aus der Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke erzielen.

Die Energiekonzerne halten sich eine Klage gegen die geplante Kernbrennstoffsteuer weiter offen. Unter anderem kritisieren sie, die Steuer verstoße gegen EU-Recht und verzerre den Wettbewerb im EU-Binnenmarkt. Ein Sprecher des Energieriesen E.on sagte, es gebe zurzeit keine Vorbereitungen für eine Klage. "Wir können sie aber auch nicht ausschließen."

Damit bleibt bis zu einer möglichen gerichtlichen Prüfung offen, ob die Ergebnisse des Atomgipfels Bestand haben werden.