Warnungen vor dem Sicherheitskonzept der Loveparade wurden ignoriert. Der Staatsanwalt ermittelt. Zwei der Opfer stammen aus Norddeutschland

Duisburg. Ortskundige sprachen von einer " Falle ", in der es Tote geben werde, Sicherheitsexperten schlicht von viel zu wenig Platz für viel zu viele Leute: Die folgenschwere Massenpanik bei der Duisburger Loveparade, bei der 19 junge Menschen ums Leben kamen und 342 zum Teil schwer verletzt wurden, war nach Ansicht von Fachleuten absehbar. 1,4 Millionen Menschen waren nach Schätzungen des Veranstalters zur Loveparade gekommen - das Gelände aber ist nur für 250 000 bis 350 000 Besucher ausgelegt.

Mit Hinweis auf den komplizierten Zugang über Tunnel und Rampen hatten sie bereits im Vorfeld große Bedenken am Sicherheitskonzept geäußert. So gab es Zweifel, ob das Gelände auf dem alten Güterbahnhof der Ruhrgebietsstadt massentauglich sei. Die Staatsanwaltschaft ermittelt jetzt wegen fahrlässiger Tötung: Sie ließ gestern Morgen die Planungsunterlagen für die Techno-Party beschlagnahmen.

Ortskundige hatten gewarnt: "Ich seh schon Tote"

Der Ablauf der Tragödie zeichnet sich auch jetzt erst in groben Zügen ab: Es gab am Sonnabend lange Zeit nur einen Ein- und Ausgang zum Festgelände, der nur durch zwei Unterführungen unter Bahngleisen zu erreichen war. Im Gedränge dieses Nadelöhrs stauten sich die Menschen. Raver, die ungeduldig zur Party strebten, trafen auf Menschen, die schon müde waren und das Fest verlassen wollten. Viele kletterten auf Container oder Zäune, um der Enge zu entfliehen, einige stürzten nach Augenzeugenberichten von einer Treppe hinunter in die Massen.

Staatsanwalt sucht die Schuldigen

Unter den 19 Toten sind zwei Norddeutsche: ein 18-Jähriger aus dem Raum Bremen und ein 21-Jähriger aus Belm bei Osnabrück. Neben elf deutschen Opfern kamen auch zwei junge Spanierinnen, ein Australier, ein Niederländer, eine in Düsseldorf lebende Chinesin, ein Italiener und ein Gast aus Bosnien-Herzegowina ums Leben. Sie alle erstickten oder wurden zerquetscht, als Menschenmassen auf das Festgelände drängten.

Ein Opfer berichtet: Fünf, sechs Körper lagen übereinander

Die Toten und Verletzten seien Opfer materieller Interessen eines Veranstalters, der unter dem Deckmäntelchen der "Kulturhauptstadt 2010" Druck ausgeübt habe, sagte der stellvertretende Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Wolfgang Orscheschek. Duisburger Stadtpolitiker seien "in die Enge getrieben" worden, sodass sie trotz eindringlicher Warnungen aus dem Sicherheitsbereich nur Ja sagen konnten. Auch die Berufsfeuerwehr Duisburg soll Sicherheitsbedenken gegen die Loveparade gehabt haben, berichtet die "Kölner Rundschau". In einem internen Vermerk an Verantwortliche der Stadt hätten die Retter bereits im Oktober 2009 klargestellt, dass es zu gefährlich sei, die Besucher durch die Tunnel zu schicken.

Am Tag nach der Katastrophe wiesen der Veranstalter Rainer Schaller ebenso wie Duisburgs Bürgermeister Adolf Sauerland (CDU) und der stellvertretende Polizeipräsident Detlef von Schmeling jede Schuld von sich. Sauerland zeigte sich tief erschüttert, sprach aber von einem stichhaltigen Sicherheitskonzept. "Individuelle Schwächen" hätten die Ereignisse offenbar ausgelöst. Von Schmeling sagte, aus seiner Sicht habe es keine Massenpanik gegeben. Der Begriff sei wertend und unzutreffend. Schaller verkündete gleichzeitig das Ende für die bislang größte Techno-Party der Welt: "Dies Ereignis bedeutet das Aus der Loveparade."