Der Schock ist noch nicht verarbeitet, die Wut wird immer größer. Nach der Loveparade-Tragödie in Duisburg reißen die Vorwürfe gegen die Organisatoren nicht ab.

Duisburg. Nach der Loveparade-Tragödie mit 19 Toten werden die wütenden Vorwürfe gegen die Verantwortlichen immer lauter. Zudem verdichteten sich Hinweise, dass die Katastrophe absehbar gewesen ist. Am Montag galten noch 1138 Gäste offiziell als vermisst. Die Stadt Duisburg will sich erst später zu den Vorwürfen äußern und plant unterdessen die Trauerfeier. Veranstalter anderer Großveranstaltungen reagierten mit Fassungslosigkeit auf das Duisburger Loveparade-Konzept.

Für Deutschlands führenden Konzertveranstalter Marek Lieberberg führten Profilierungssucht der Stadt Duisburg und eine amateurhafte Organisation zu der tödlichen Katastrophe. Das „war keine höhere Gewalt wie ein Treppeneinsturz oder ein Unwetter, sondern das Ergebnis eines verhängnisvollen Zusammenwirkens von völlig überforderten Behörden und inkompetenten Organisatoren, die weder mit derartigen Großveranstaltungen vertraut noch in der Lage waren, auf Notsituationen zu reagieren“, teilte Lieberberg mit.

Aus seiner Sicht war das Konzept mit einem einzigen Ein- und Ausgang „eine Todesfalle“. „Ein einziger Eingang über einen Tunnel ist nach der Gesetzeslage eigentlich überhaupt nicht zulassungsfähig. Aber offensichtlich wollten die Verantwortlichen der Stadt Duisburg die Veranstaltung um jeden Preis und haben deshalb offensichtlich über alle notwendigen Sicherheitserwägungen hinweggesehen.“

Die Bundesregierung zeigte sich offen für Konsequenzen, warnte aber vor voreiligen Schlüssen. Möglicherweise werden sich die Innenminister der Länder in der Innenministerkonferenz auch mit dem Thema befassen, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm.

Es seien keine Verletzten mehr in Lebensgefahr, teilte die Staatsanwaltschaft am Montag mit. 40 Polizisten waren am Montag noch damit beschäftigt, die ursprünglich 2367 Vermisstenanzeigen abzuarbeiten. Möglicherweise sei schon ein großer Teil der Vermissten wieder daheim, teilte die Polizei weiter mit.

Unterdessen liefen in Duisburg die Planungen für die Trauerfeier für die 19 Toten an. Zudem sollte ein Kondolenzbuch ausgelegt werden, sagte Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland im WDR. Der CDU- Politiker war am Sonntag von Trauernden körperlich angegriffen worden. Er wurde ausgebuht, beschimpft, ein Mann habe ihn mit Müll beworfen und an der Jacke getroffen, berichtete die „Bild“-Zeitung. „Das waren Menschen, die trauern, die ihren Emotionen freien Lauf gelassen haben und das verstehe ich“, sagte Sauerland.

Gegen Sauerland, leitende Beamten der Stadt und die Veranstalter erstattete der ehemalige Bochumer Polizeipräsident Thomas Wenner (62) unterdessen Anzeige, wie er der dpa bestätigte. Eine solche Veranstaltung hätte in Duisburg nie realisiert werden dürfen. Wenner hatte 2009 als amtierender Polizeipräsident die für Bochum geplante Loveparade abgesagt.

Sauerland versicherte, dass er sich angesichts der scharfen öffentlichen Kritik der Frage nach seiner persönlichen Verantwortung stellen wolle. Zunächst müssten jedoch die Geschehnisse aufgeklärt sein, sagte er mit Blick auf die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Tötung. Ein internes Verwaltungsdokument aus Duisburg belegt nach Informationen von „Spiegel Online“ die Schwachstellen des Sicherheitskonzepts bei der Großveranstaltung mit insgesamt bis zu 1,4 Millionen Besuchern. So habe der Veranstalter nicht die sonst vorgeschriebene Breite der Fluchtwege einhalten müssen. Zugleich sei das Gelände ausdrücklich nur für 250000 Menschen zugelassen gewesen.

Die Stadt Gelsenkirchen – ursprünglich als Austragungsort der Loveparade 2011 vorgesehen – begrüßte die Absage der Veranstaltung. „Es ist definitiv richtig, dass die Loveparade nach der Katastrophe von Duisburg nicht mehr stattfindet. Sie wäre in Zukunft immer von diesem Unglück belastet gewesen“, sagte Stadt-Sprecher Martin Schulman. Die Veranstalter hatten am Sonntag angekündigt, dass es nie mehr eine Loveparade geben wird.

Stadt Duisburg plant Trauerfeier

Nach der katastrophal verlaufenen Loveparade am Sonnabend plant die Stadt Duisburg eine Trauerfeier für die 19 Todesopfer. Außerdem sollte an diesem Montag ein Kondolenzbuch ausgelegt werden, sagte Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) im WDR.

Angesichts scharfer öffentlicher Kritik an Sicherheitslücken werde er der Frage nach persönlicher Verantwortung für das Unglück nicht ausweichen, versicherte der Duisburger OB. Zunächst gehe es aber darum, die Geschehnisse aufzuklären und alle Informationen der Staatsanwaltschaft zur Verfügung zu stellen. „Wenn wir wissen, was passiert ist, werden wir uns der Frage nach der Verantwortung stellen.“

Sauerland war am Sonntag von Trauernden körperlich angegriffen worden. Er wurde ausgebuht, beschimpft, ein Mann habe ihn mit Müll beworfen und am Jacket getroffen, berichtete die „Bild“-Zeitung am Montag. Leibwächter zogen ihn weg zu seinem Dienstwagen. Sauerland bestätigte den Angriff. „Das ist so. Das waren Menschen, die trauern, die ihren Emotionen freien Lauf gelassen haben und das verstehe ich.“

Ein internes Verwaltungsdokument aus Duisburg belegt nach Informationen von „Spiegel online“ die Schwachstellen des Sicherheitskonzepts bei der Großveranstaltung mit insgesamt bis zu 1,4 Millionen Besuchern. So habe der Veranstalter nicht die sonst vorgeschriebene Breite der Fluchtwege einhalten müssen. Zugleich sei das Gelände ausdrücklich nur für 250000 Menschen zugelassen gewesen.

Konzertveranstalter: Die Organsiation war ein Verbrechen

Deutschlands führender Konzertveranstalter Marek Lieberberg hat den Organisatoren der Loveparade in Duisburg Profitgier und Unvermögen vorgeworfen. „Das ist kein tragisches Unglück, sondern ein Verbrechen“, sagte Lieberberg. Die Veranstalter seien der Technoparty mit hunderttausenden Teilnehmern nicht gewachsen gewesen. „Befruchtet haben sich die Geltungssucht der Lokalpolitik, die Profitsucht der Veranstalter, auf beiden Seiten gut gedüngt durch totalen Amateurismus.“

Unterdessen verdichten sich die Hinweise auf Sicherheitslücken bei der Planung der Musikparty. Nach Informationen von „Spiegel Online“ war das Festgelände in Duisburg für maximal 250.000 Menschen freigegeben. Die Veranstalter rechneten aber mit deutlich mehr als einer Million Teilnehmern. Die Deutsche Polizeigewerkschaft erklärte, sie habe schon vor einem Jahr gewarnt, dass Duisburg für die Massenveranstaltung zu klein sei.

19 Tote, 342 Verletzte - und keiner will schuld sein

„Spiegel Online“ beruft sich auf ein Schreiben der Duisburger Bauaufsicht an die Organisatoren der Loveparade, die Berliner Lopavent GmbH. Das Schriftstück vom 21. Juli 2010 mit dem Aktenzeichen 62-34-WL-2010-0026 trage den Titel „Genehmigung einer vorübergehenden Nutzungsänderung“. Der Sachbearbeiter der Unteren Bauaufsicht im Duisburger Amt für Baurecht und Bauberatung habe darin die Organisatoren von der Vorschrift befreit, die vorgeschriebenen Breiten der Fluchtwege einhalten zu müssen.

Ortskundige hatten gewarnt: "Ich seh schon Tote"

Gleichzeitig hätten die Beamten auf Feuerwehrpläne verzichtet. Dafür gaben sie laut „Spiegel Online“ den Ausrichtern der Party vor: „Die maximale Personenzahl, die sich gleichzeitig auf dem Veranstaltungsgelände aufhalten darf, wird (...) auf 250.000 Personen begrenzt.“ Die Veranstalter des Festes hatten wenige Stunden vor dem Unglück indes von etwa 1,4 Millionen erwarteten Teilnehmern gesprochen.

Ein Opfer berichtet: Fünf, sechs Körper lagen übereinander

Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, sagte der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung:: „Ich habe schon vor einem Jahr gesagt, dass die Stadt zu eng ist für eine derartige Großveranstaltung.“ Er glaube, dass Duisburg sich übernommen habe, meinte Wendt: „Das war einfach eine Nummer zu groß.“ Die Zugangswege zu dem Gelände seien „offensichtlich für diese Menschenmassen ungeeignet“ gewesen, kritisierte Wendt, der gebürtiger Duisburger ist.