Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg plant eine Reform der Bundeswehr. Merkels Nachfolger will er nicht werden. Sagt er.

Amberg. Der Mann, der einmal Kanzler werden könnte, ist nicht zu beneiden. Im dunklen Anzug steht Karl-Theodor zu Guttenberg vor einer Gruppe Wehrpflichtiger im sächsischen Frankenberg und unterhält sich mit den Soldaten, beobachtet von Dutzenden Journalisten und Militärs. In der prallen Sonne beträgt die Temperatur mehr als 40 Grad, Schweiß rinnt dem Verteidigungsminister die Schläfen herunter. Es muss eine Qual sein, aber er strahlt. "Bleiben Sie weiter so motiviert, danke für Ihren Einsatz", wünscht er den Soldaten. Später, im kühlen Hubschrauber, nimmt er die Krawatte ab und sagt: "Macht doch Spaß!"

Doch die traditionelle Sommerreise des Verteidigungsministers ist in diesem Jahr kein heiterer Ausflug: Am ersten Tag besucht Guttenberg zwei Standorte, deren Einheiten in Afghanistan waren und eigene Verluste zu beklagen hatten. Doch eine Aufgabe an diesem Tag könnte noch schwerer werden: den Soldaten zu vermitteln, was die Politik mit ihnen vorhat.

Gerade eben erst hat die schwarz-gelbe Regierungskoalition die Verkürzung der Wehrpflicht von neun auf sechs Monate beschlossen, nun ist im Rahmen der Sparvorgaben eine Aussetzung der Wehrpflicht im Gespräch. Rechnungen des Bundesverteidigungsministeriums zufolge könnte die Zahl der Soldaten um bis zu 100 000 absinken. Milliardenschwere Rüstungsprojekte könnten gestrichen werden.

Ein "Weiter so" dürfe es bei der Bundeswehr nicht geben, sagt Guttenberg dem Abendblatt. "Bisher war es lange so, dass man sich von Jahr zu Jahr irgendwie gerettet hat, immer an Personalstärke festhielt, dabei aber nur noch veraltetes Material zur Verfügung stellen konnte." Das will der Minister nun umkrempeln.

Guttenberg redet gern über die Reform, er hat darin eine Mission gefunden. Worüber Guttenberg weniger gern redet, ist sein geradezu unheimlicher politischer Erfolg. Erst im vergangenen Jahr wurde er mitten in der Krise Wirtschaftsminister - Deutschlands jüngster -, wenige Monate danach Verteidigungsminister - wiederum der jüngste in der Geschichte der Bundesrepublik. Als "größte politische Entdeckung seit Angela Merkel" wurde der 38-Jährige bereits in den Medien bezeichnet. An diesem ersten Reisetag hat ihn der "Focus" auf der Titelseite gewürdigt: "Kanzler in Reserve - Zu Guttenberg wird Merkel gefährlich" steht dort. In einer Umfrage von TNS Emnid nannten 46 Prozent der Befragten den Verteidigungsminister als nächsten möglichen Regierungschef.

Guttenberg schüttelt den Kopf. "Absurd" sei das, sagt er. "Ich habe ein Amt, das mich voll und ganz fordert. Solche Umfragen sind völlig unangebracht, denn die Frage einer Nachfolge stellt sich gar nicht." Guttenberg gibt sich bescheiden: "Wir haben eine hervorragend arbeitende Kanzlerin, und dabei bleibt's." Er weiß, dass ihm der Rummel um seine Person politisch mehr schaden als nutzen kann. Ältere CDU-Politiker beobachten den Aufstieg des Adeligen mit Misstrauen. Das Phänomen Guttenberg ist ihnen fremd: "Der kann den Leuten Plattitüden sagen, trotzdem kriegen die feuchte Augen und jubeln", lästert ein hochrangiger Unionspolitiker. Andere werfen ihm einen Zickzackkurs vor, weil er die Wehrpflicht erst vehement verteidigt habe und jetzt ihre Aussetzung erwäge. Guttenberg bewegt sich auf vermintem Gelände. Möglicherweise hat er auch an Fällen wie dem der Arbeitsministerin Ursula von der Leyen gesehen, was anderen Unionspolitikern der jüngeren Generation droht, wenn sie sich zu früh aus der Deckung wagen. Von der Leyen war von Bundeskanzlerin Merkel kurzzeitig als Bundespräsidentin ins Spiel gebracht, dann aber zugunsten des still wartenden Christian Wulffs fallen gelassen worden.

Um nicht zu schnell zu groß zu wirken, macht sich Guttenberg klein. Es sei nicht die Zeit, nach anderen Personen zu fragen, wiederholt Guttenberg, "vor allem nicht nach solchen, die wie ich erst seit vergleichsweise kurzer Zeit in höherer politischer Verantwortung stehen". Wäre denn ein CSU-Kanzler denkbar? "Theoretisch ja", meint Guttenberg, "die CSU hat viele gute Politiker hervorgebracht. Aber noch einmal: Die Frage stellt sich für längere Zeit nicht." Womöglich ist das sein Erfolgsrezept: dass er den Eindruck erweckt, seinen Job ernst zu nehmen, ohne an seiner politischen Karriere zu kleben. "Man muss immer wieder darauf achten, dass man von diesem Geschäft nicht abhängig ist und nicht abhängig wird", sagt er.

Nicht nur in den Medien, auch in der Truppe genießt Guttenberg Respekt - selbst wenn der Minister keine guten Botschaften zu verkünden hat, schätzen viele Offiziere seine Offenheit. Guttenberg selbst sagt: "Ich erwarte Klartext, so wie Soldatinnen und Soldaten von mir Klartext erwarten können."

An der Bundeswehrreform kann Guttenberg seinen Ehrgeiz beweisen - es könnte sein Meisterstück werden. Ein Offizier aus seiner Umgebung ist sich sicher: "Es muss sich etwas ändern. Und wenn einer wie Guttenberg das nicht hinbekommt, dann wird sich lange Zeit nichts mehr tun." Dass die Reform kein leichtes Stück Arbeit werden dürfte, wird bei der nächsten Reiseetappe Guttenbergs im bayerischen Amberg klar. In der Kaserne der 12. Panzerbrigade haben ihm eben Offiziere klargemacht, dass die ständigen Auslandseinsätze der Truppe das Letzte abverlangen. "Wir sind an der Grenze der Belastbarkeit", sagt der Kommandeur.

Doch etwas später, im Rathaussaal der Stadt, ahnt man, dass die wahre Herausforderung für Guttenberg außerhalb des Kasernenzauns liegt. Der Minister sitzt den Bürgermeistern gegenüber, in deren Gemeinden die Panzerbrigade einzelne Standorte hat. Guttenberg erklärt, erst müsse man die Reform der Bundeswehr auf den Weg bringen, erst ab Mitte 2011 werde über Standorte entschieden. "Ich bin immer wieder überrascht, dass manche glauben, man könne erst über Standorte reden und dann über Strukturen", sagt der CSU-Politiker. Die Bürgermeister nicken, als hätten sie verstanden. Dann wiederholt einer nach dem anderen die Vorzüge des eigenen Standorts.

Guttenberg hört freundlich zu, dann greift er wieder zur bewährten schonungslosen Offenheit: "Wenn wir jetzt wieder schieben und schichten, statt einen mehrjährigen planbaren Prozess einzuleiten, dann könnte über Nacht das Fallbeil runterrauschen." Verteidigungspolitik könne nicht nur Regionalpolitik sein. Die Entwicklungen würden nicht so schlimm werden wie von vielen befürchtet, tröstet Guttenberg. Konkret ist das nicht, aber die Bürgermeister nicken erneut dankbar.

Dann steigt Guttenberg in eine gepanzerte Limousine und entschwindet zum nächsten Termin. Seine Mission ist noch lange nicht erfüllt.