Ex-General Klaus Reinhardt klagt im Abendblatt über alte Hubschrauber und fehlende Radpanzer zum Üben: “Das ist kein Polizeieinsatz.“

Hamburg/Berlin. Mangelhafte Ausbildung und fehlende Technik: Der tödliche Schusswechsel, in dem am Karfreitag drei deutsche Fallschirmjäger aus Seedorf bei Rotenburg/Wümme starben, bringt die Bundeswehr in Afghanistan und die politische Führung in Erklärungsnot. Der frühere Vier-Sterne-General Klaus Reinhardt sagte dem Abendblatt: "Die Ausrüstung, die die Soldaten am Mann haben, hält internationalen Vergleichen stand. Es ist allerdings nicht genügend Material da, um beispielsweise bereits in der Ausbildung am Dingo, dem gepanzerten Radfahrzeug, zu üben."

Es fehle außerdem Kapazität im Lufttransport und in der Luftunterstützung. Der neue Transporthubschrauber NH-90 und der Kampfhubschrauber Tiger kämen zu spät. Sie müssten jetzt bereits im Einsatz sein. Reinhardt: "Und von den sechs CH-53-Hubschraubern sind immer zwei oder drei in Reparatur. Das sind uralte Vögel mit einer Dienstzeit, die in der Mitte der Sechzigerjahre begonnen hat."

Der demnächst aus dem Amt scheidende Wehrbeauftragte Reinhold Robbe sagte der "Bild"-Zeitung: "Ich habe die Fallschirmjäger in Seedorf anlässlich ihrer Verabschiedung in den Afghanistan-Einsatz besucht. Die Soldaten haben mich darauf hingewiesen, dass es Defizite bei der Ausbildung gibt." Ausgerechnet einer der drei am Karfreitag getöteten Soldaten soll mit Robbe gesprochen haben. Die Defizite an Technik und Ausbildung hatte Robbe bereits bei der Vorstellung seines Jahresberichts am 16. März angesprochen: "Die Kraftfahrausbildung beschränkte sich auf das Kennenlernen des Fahrzeugs." Patrouillen im fernen Afghanistan wurden mit Unimogs simuliert. Dabei gibt es diesen Fahrzeugtyp gar nicht im deutschen Lager. Der Grundsatz "Übe, wie du kämpfst!" stand nur auf dem Papier.

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hatte Robbe versichert: "Wir werden jedem einzelnen Fall nachgehen, ihn entsprechend auswerten, und dort, wo Defizite abzustellen sind, sollen sie abgestellt werden." Am Freitag muss Guttenberg bei Rotenburg/Wümme die Trauerrede für die toten Fallschirmjäger halten.

Ex-General Reinhardt lehnt den Vorschlag des künftigen Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus (FDP) für einen Einsatz des Leopard-2-Kampfpanzers ab. Königshaus sagte dem "Tagesspiegel": "Wer in das Kanonenrohr eines Leopard 2 schaut, überlegt sich zweimal, ob er eine deutsche Patrouille angreift." Reinhardt entgegnete: "Man kämpft gegen Taliban, die in kleinen Gruppierungen angreifen. Da ist der Panzer von der Größenordnung des Leo 2 mit über 60 Tonnen überdimensioniert und auf den gering tragenden Brücken zu schwer. Man muss sich fragen, ob das angemessen ist oder nur Aktionismus." Reinhardt sagte, er fordere seit Langem, dass man vom "Krieg" in Afghanistan spreche. "Das ist kein Polizeieinsatz. Die deutschen Soldaten kämpfen um ihr Leben. Bei einem Kriegseinsatz sollte der Soldat nicht nach dem Strafgesetzbuch haftbar gemacht werden. Es müssen die sehr restriktiven Bestimmungen des Kriegsvölkerrechtes auch für die deutschen Soldaten gelten. Sie sollten keine Angst haben, von der Waffe Gebrauch zu machen und dann vor dem Staatsanwalt zu stehen." Es müsse auch die Polizistenausbildung vorangetrieben werden. Die afghanischen Sicherheitskräfte sollten mittelfristig die Rolle der deutschen Truppen übernehmen. "Der eigene Polizist ist nun mal glaubwürdiger für die Bevölkerung als der Soldat aus dem Ausland", so Reinhardt.

Nach seinen verwirrenden Botschaften an die internationalen Truppen im Land ist Afghanistans Präsident Hamid Karsai gestern zurückgerudert. Er versicherte, er habe nicht die Absicht, mit Washington zu brechen. Am Tag zuvor hatte er gedroht, sich den Taliban anzuschließen, falls er vom Westen nicht ernst genommen würde und die Korruptionsvorwürfe gegen ihn nicht aufhörten.