Georg Ratzinger räumt ein, als Regensburger Domkapellmeister Ende der 70er-Jahre in den Chorproben selbst Ohrfeigen verteilt zu haben.

Passau. Der einstige Regensburger Domkapellmeister Georg Ratzinger (86) hat sich von früheren Prügelpraktiken in der Internatsvorschule der Regensburger Domspatzen distanziert. Das Ausmaß der "brachialen Gewalt" in der Grundschule Etterzhausen, später Pielenhofen, unter der Leitung des damaligen Internatsdirektors Johann M. sei ihm nicht bekannt gewesen, sagte Ratzinger der "Passauer Neuen Presse". "Wenn ich gewusst hätte, mit welch übertriebener Heftigkeit er vorging, dann hätte ich schon damals etwas gesagt", erklärte der Bruder von Papst Benedikt XVI.

M. leitete die Vorschule der Domspatzen von 1953 bis 1992, Ratzinger war Domkapellmeister von 1964 bis 1994. Ehemalige Schüler hatten berichtet, der Vorschul-Internatsdirektor habe die Kinder teilweise "grün und blau" geschlagen. Die Prügelpraktiken gab es dort offenbar bis Anfang der 1990er-Jahre. Die Vorschule ist eine von den Domspatzen unabhängige Einrichtung, die von einer eigenen kirchlichen Stiftung getragen wird. Nach Ratzingers Worten hat sein Vorgänger als Domkapellmeister, Theobald Schrems, diese Konstruktion bewusst so geschaffen, damit von Regensburg aus nicht in die Vorschule hineinregiert habe werden können.

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Ratzinger sagte, dass er das Geschehene verurteile und bat die Opfer um Verzeihung. Er räumte zwar ein, einige seiner Sänger hätten ihm auf Konzertreisen erzählt, wie es ihnen in der Vorschule ergangen sei. Ihm sei bekannt gewesen, dass M. "sehr heftige Ohrfeigen" verteilt habe, teils auch aus nichtigen Anlässen. Die Berichte seien bei ihm aber "nicht so angekommen, dass ich glaubte, etwas unternehmen zu müssen". Heute würde er diese Sache anders beurteilen.

Der frühere Leiter der Domspatzen gab auch zu, selbst bis zum Ende der 1970er-Jahre in den Chorproben wiederholt Ohrfeigen bei Verfehlungen oder Leistungsverweigerung erteilt zu haben. Er habe aber niemanden grün und blau geschlagen. Zudem habe er dabei aber immer ein schlechtes Gewissen gehabt. "Ich war dann froh, als 1980 körperliche Züchtigungen vom Gesetzgeber ganz verboten wurden." An diese Maßgabe habe er sich "striktissime" gehalten. Auf die Frage, warum in der Kirche so lange über diese Dinge geschwiegen worden sei, antwortete Ratzinger: "Ich glaube, es ist nicht nur die Kirche, die geschwiegen hat." In der ganzen Gesellschaft habe "man diese Dinge, die man selber durchaus verurteilt hat, nicht breittreten" wollen.