Der Chor habe schon vor Jahrzehnten die entsprechenden Konsequenzen gezogen. Er forderte Betroffene auf, sich zu melden.

Wien. Die Wiener Sängerknaben haben nach Missbrauchsvorwürfen gegen frühere Chorleiter und Erzieher Fehler eingestanden. „Es ist uns bewusst, dass es in der Vergangenheit zu Fällen von Missbrauch gekommen sein kann“, teilte der weltbekannte Chor am Freitag mit. „Wir können diese Vorfälle nicht ungeschehen machen, haben jedoch schon vor Jahrzehnten die entsprechenden Konsequenzen daraus gezogen“. Den Verdacht auf Missbrauch gibt es auch beim Chor der Regensburger Domspatzen.

Ähnlich wie zuvor in Deutschland berichten in Österreich seit Tagen immer mehr Menschen über sexuelle Übergriffe und Gewaltexzesse in Einrichtungen der katholischen Kirche. In den Medien ist von mehr als 80 Verdachtsfällen die Rede. In Salzburg trat der Erzabt eines Stifts zurück, in mehreren Bundesländern wurden Priester ihrer Ämter enthoben.

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Es war die Hölle auf Erden“, sagte ein heute 64-jähriger Mann der Wiener Tageszeitung „Die Presse“ über seine Zeit im Internat des Zisterzienserstiftes im oberösterreichischen Wilhering. Die Kinder seien von einem geistlichen Erzieher unter dem Vorwand der Bestrafung von Vergehen brutal gequält worden. Der Priester habe ihn als 13-Jährigen nachts in sein Zimmer geholt und ihn gezwungen, vor ihm zu masturbieren, sagte der Mann. Als Folge des Missbrauchs leide er bis heute an Depressionen. Der Geistliche sei inzwischen verstorben.

Zwei frühere Sängerknaben sagten der Wiener Tageszeitung „Der Standard“, sie seien Opfer sexueller Übergriffe geworden und hätten Misshandlungen von Mitschülern beobachtet. Die Vorwürfe betreffen Vorfälle in den 1960er und 1980er Jahren. Beide ehemaligen Zöglinge des Internats der Gesangsschule sprechen von einer „Terror- und Angstatmosphäre“. Sie hätten aus Angst vor dem politischen Einfluss ehemaliger Chormitglieder über Jahrzehnte zu den Übergriffen geschwiegen. Die Wiener Sängerknaben riefen indessen allfällig betroffene Personen auf, sich zu melden.

Der im 15. Jahrhundert gegründete Knabenchor besteht aus mehr als 100 Kindern im Alter zwischen zehn und 14 Jahren. Sie leben in einem Internat in einem Palais im Wiener Augarten. Die Sängerknaben singen vor Publikum in Österreich und im Ausland - insgesamt kommen sie auf 300 Konzerte und Auftritte im Jahr.