Vatikan weist Vorwürfe gegen den Papst als gezielte Kampagne zurück. Grüne und FDP wollen Untersuchungs- kommission.

Vatikanstadt. Papst Benedikt XVI. hat sich am Sonntag nicht persönlich zur aktuellen Missbrauchsdebatte geäußert, worüber zuvor in zahlreichen Medienberichten spekuliert worden war. Beim traditionellen Angelusgebet auf dem Petersplatz sprach das Kirchenoberhaupt über die Fastenzeit, die dazu einlade, „in der Reue über unsere Sünden zu wachsen“ und Gottes Barmherzigkeit neu zu erfahren. „Wir alle brauchen diese Versöhnung“, betonte der Papst. Die Vergebung Gottes sei „größer als unser Elend, aber auch größer als unsere Gerechtigkeit“.

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Benedikt XVI. wies zugleich auf eine Parallelität zwischen der Persönlichkeitsentwicklung und religiöser Reifung hin. Im Erwachsenwerden entwickle jeder Mensch seine Freiheit und Autonomie; dazu gehöre auch der Gedanke, ohne Gott auszukommen. Diese Phase könne zu einer atheistischen Haltung führen, aber auch „das wahre Gesicht Gottes“ entdecken lassen. „Auch wenn wir uns entfernen und uns verirren, folgt er uns mit seiner Liebe, vergibt unsere Fehler und spricht zu unserem Gewissen, um uns zu sich zurückzurufen“, sagte der Papst.

Kirchenkrise heizt Streit um Zölibat an

Die Kirchenkrise nach der Aufdeckung zahlreicher Missbrauchsfälle in katholischen Einrichtungen hat den Streit um das Eheverbot für Priester neu angeheizt. Der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke und der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, stellten am Wochenende die Pflicht zum Zölibat infrage. Hingegen sprach sich der Weihbischof des Bistums Erfurt, Reinhard Hauke, gegen die Abschaffung des Eheverbots für katholische Pfarrer aus. Auch Papst Benedikt XVI. gilt als strenger Verfechter des Zölibats.

Weihbischof Jaschke plädierte im „Hamburger Abendblatt“ dafür, auch katholischen Priestern die Ehe zu erlauben. Eine Koexistenz von Zölibat und verheirateten Geistlichen sollte möglich sein. Einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der großen Zahl von Missbrauchsfällen in katholischen Einrichtungen und dem Zölibat sieht Jaschke zwar nicht: „Allerdings kann die zölibatäre Lebensform auch Menschen anziehen, die eine krankhafte Sexualität haben“, sagte der katholische Geistliche der Zeitung.

Verheiratete Priester könnten die katholische Kirche bereichern, meinte der Hamburger Weihbischof. Er könne sich vorstellen, dass sie Sorgen und Anliegen von Familien besser verstehen könnten. Auch dem Priestermangel könne so vielleicht abgeholfen werden, meinte Jaschke.

Sein Erfurter Amtskollege Hauke äußerte im MDR 1 Radio Thüringen hingegen die Sorge, mit dem Zölibat könne der katholischen Kirche ein sehr kostbarer Wert verloren gehen. Ein Zusammenhang zwischen Zölibat und sexuellem Missbrauch sei wissenschaftlich nicht erwiesen.

ZdK-Präsident Glück brachte in der „Süddeutschen Zeitung“ wie Jaschke eine Lockerung des Eheverbots ins Gespräch. Dies sei „ein Weg“. Die Kirche müsse „Konsequenzen struktureller Art ziehen und dabei reflektieren, ob es kirchenspezifische Bedingungen gibt, die den Missbrauch begünstigten“, sagte Glück.

Zuvor hatte Literaturnobelpreisträger Günter Grass eine Abschaffung des Heiratsverbots gefordert. „Anfälligkeiten für Kindesmissbrauch gibt es überall dort, wo Menschen mit Kindern zu tun haben, aber verschärft wird es durch das Zölibat“, erklärte Grass.

Über seine Erfahrungen als Messdiener mit zwölf Jahren berichtete Grass: „Beim Katechismusunterricht gab's einen Vikar, der nichts Gravierendes gemacht hat, aber er konnte die Hände nicht lassen, strich über den Scheitel und manchmal verschwand die Hand auch hinter dem Hemd - es war ein ganz lieber, sanfter Kerl, der mit dem Zölibat nicht fertig wurde.“ Eine Abschaffung des Eheverbots für katholische Priester würde nebenbei auch die niedrige Geburtenrate aufbessern, fügte der Schriftsteller hinzu.