Zwei ehemalige Mitglieder des Knabenchors berichten von Übergriffen. Es habe eine “Terror- und Angstatmosphäre“ geherrscht.

Wien/Osnabrück. Der Papst befasst sich heute erstmals direkt mit dem Missbrauchsskandal an katholischen Einrichtungen in Deutschland. Benedikt XVI. empfängt den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch. Die Enthüllungen und Vorwürfe erfassen derweil immer mehr Schulen, Heime und Organisationen, kirchliche wie weltliche. Auch bei den Wiener Sängerknaben soll es zu sexuellen Übergriffen und Gewalt gegen Chormitglieder gekommen sein. Zwei ehemalige deutsche Mitglieder des weltberühmten Chors berichten in der österreichischen Tageszeitung "Standard" von einer "Terror- und Angstatmosphäre".

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Bei einem der Opfer handelt es sich um einen heute 33-jährigen Berliner Chirurgen und Orthopäden, der von 1985 bis 1987 dem Knabenchor angehörte. Er habe von Duschritualen unter Anwesenheit der Präfekten genannten Erzieher berichtet. Diese hätten nackten Schülern laut Tipps gegeben, wie sie sich die Genitalien waschen sollten. Auch sei er selbst von einem älteren Schüler als Neunjähriger bei einer US-Tournee zu oralem Sex gezwungen worden. Bei dem zweiten früheren Chormitglied handelt es sich um einen heute 51 Jahre alten Münchner Psychologen, der von 1966 bis 1970 in dem Chor sang. Er sagte laut "Standard", dass ihm damals ein Kapellmeister im Bus auf einer Deutschlandtournee eine Stunde die Hand auf den Oberschenkel gelegt habe. Auf einer US-Tournee habe ein Präfekt einem Schüler, der nichts essen wollte, mit Gewalt den Mund aufgerissen und Essen hineingestopft.

Im österreichischen Stiftsgymnasium Kremsmünster wurden gestern drei Patres wegen sexuellen Missbrauchs an Kindern in den 80er-Jahren ihrer Ämter enthoben. Neue Vorwürfe auch in Deutschland: Am ehemaligen Internat des Maristenklosters in Meppen kam es Ende der 60er-Jahre zu sexuellen Übergriffen auf Minderjährige, teilte der Justiziar des Ordens mit. Der beschuldigte Pater sei vor zwei Jahren gestorben. In der Odenwaldschule im hessischen Heppenheim steigt die Zahl der Missbrauchsfälle weiter an. "Wir wissen inzwischen von 33 Betroffenen", sagte Direktorin Margarita Kaufmann.