Kritiker werfen der Bundesregierung Etikettenschwindel vor. Seit Jahren beschäftigen sich Gerichte mit der Sonderzulage.

Hamburg. Dreispurige Autobahnen schlängeln sich durch die blühenden Landschaften des Ostens. Mit Fördermitteln sanierte Altbauten glänzen in Leipzig und Dresden um die Wette. Und überhaupt strotzen die neuen Bundesländer dank Soli nur so voller finanzieller Kraft, während im Ruhrpott die Fassaden der alten Bergmannshäuser bröckeln und die A 1 in einem Meer aus Schlaglöchern versinkt. Solche oder so ähnliche Urteile oder Vorurteile werden seit Jahren bemüht, wenn der Solidaritätszuschlag zur Debatte steht.

Das Finanzgericht Niedersachsen bezweifelt als erstes deutsches Gericht, ob der Solidaritätszuschlag überhaupt verfassungsgemäß ist. Angela Merkel (CDU) dürfte wenig begeistert sein.

Die Kanzlerin widersetzte sich einem Ende der Sonderabgabe vehement. Im Oktober 2007 stoppte sie einen entsprechenden Vorstoß der Bundestagsfraktion. Und auch zum 20. Jahrestag des Mauerfalls sprach sie sich dafür aus, den Soli beizubehalten. Andere riefen dagegen immer wieder nach seiner Abschaffung. Im April war es Baden-Württembergs CDU-Generalsekretär Thomas Strobl. Im August befeuerte der damalige thüringische Regierungschef Dieter Althaus (CDU) die Debatte um den Soli neu, als er vorschlug, ihn auf den Prüfstand zu stellen.

Doch vor allem der Bund der Steuerzahler führt seit Jahren einen Kampf gegen den Soli. Er habe seine originäre Funktion und damit seine Daseinsberechtigung längst verloren, führte der Steuerzahlerbund immer wieder an. Ursprünglich wurde der Soli kurz nach der deutschen Wiedervereinigung 1991 eingeführt. Damals betrug er 3,75 Prozent der Einkommen - beziehungsweise der Körperschaftssteuer - und war auf ein Jahr befristet.

Kohl versprach damals, dass mit ihm der wirtschaftliche Aufbau in den neuen Ländern finanziert werden solle. Doch um Lücken im Bundeshaushalt zu stopfen, führte die schwarz-gelbe Koalition den Zuschlag 1995 wieder ein - diesmal unbefristet und mit einem Satz von 7,5 Prozent. Seit 1998 liegt der Soli bundesweit einheitlich bei 5,5 Prozent. Bisher spülte er gut 185 Milliarden Euro in die Kassen des Finanzministers. Laut einer Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle sind allerdings bereits 1,3 Billionen Euro in den Osten geflossen.

Obwohl es sein Ursprung vermuten lässt, sind die Einnahmen aus dem Soli nicht an den Aufbau Ost gebunden. "Generell sind Steuern laut Paragraf drei der Abgabenordnung Geldleistungen ohne Gegenleistungen", sagte Markus Deutsch vom Deutschen Steuerberaterbund dem Abendblatt. Die Politik gebe gerne Motive an, wenn sie eine Steuer einführe, tatsächlich sei sie aber nicht zweckgebunden, erklärte Deutsch.

Kritiker werfen der Regierung Etikettenschwindel vor. Immer wieder beschäftigen sich die Gerichte mit Soli-Klagen. 2006 hatte das Verfassungsgericht eine Klage des Steuerzahlerbundes, ohne Gründe zu nennen, abgelehnt. Zuletzt schmetterte es im Februar 2008 eine Klage für das Jahr 2002 kommentarlos ab. "Im Grunde konnte man bis jetzt davon ausgehen, dass Karlsruhe den Soli für verfassungsgemäß halten wird. Eventuell dreht sich der Wind jetzt doch in Richtung Verfassungswidrigkeit", so Deutsch.