Berlin/Hamburg. In die Diskussion um die Abschaffung des Solidaritätszuschlages greifen nun auch die Volkswirte ein. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) fordert einen schrittweisen Ausstieg aus der Sonderabgabe auf die Lohn-, Einkommens- und Körperschaftssteuer. Gegenüber dem Abendblatt sagte der IW-Experte und Wirtschaftsprofessor Winfried Fuest: "Ich plädiere dafür, den Solidaritätszuschlag sukzessive zu beerdigen. Vor dem Hintergrund der steigenden Steuereinnahmen wäre es sinnvoller, das Geld dort zu lassen, wo es herkommt: in den Taschen der Bürger und Unternehmen."

Da der Soli allein dem Bund zustehe und nicht mit Ländern und Gemeinden geteilt werden müsse, profitiere der Finanzminister gerade im Konjunkturaufschwung vom Soli. Nach Fuests Berechnungen entstünde auch ohne Soli kein Loch im Bundeshaushalt. "Die Steuermehreinnahmen belaufen sich auf ein Plus von zehn Milliarden Euro gegenüber der Mai-Schätzung", so der IW-Experte.

Das politische Argument, den Aufbau Ost voranzutreiben, hält er nicht mehr für stichhaltig: "Ich habe Verständnis für die Oberbürgermeister in Ruhrgebietsstädten, die nach Ostdeutschland schauen und sehen, dass die Infrastruktur, das Verkehrsnetz dort viel moderner sind als bei ihnen."

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück und der für den Aufbau Ost zuständige Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (beide SPD) lehnen eine Soli-Absenkung ab. Die Bundesregierung habe mehrfach deutlich gemacht, dass es in dieser Legislaturperiode keinen Spielraum für zusätzliche Steuersenkungen gebe, sagte Steinbrücks Sprecher Torsten Albig. Vize-Regierungssprecher Thomas Steg sagte, das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts habe Priorität. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil bezeichnete die Debatte als ein "Sommerloch-Thema".

Das sieht Heils Hamburger Genosse Johannes Kahrs anders. Der SPD-Haushaltsexperte im Bundestag sagte dem Abendblatt: "Eigentlich gehört der Solidaritätszuschlag abgeschafft. Man muss nur einen Weg dafür finden." Kahrs bietet einen an: Aus der Mehrwertsteuererhöhung um drei Prozent ging ein Prozent an die finanziell gebeutelte Bundesagentur für Arbeit (BA). Doch dieses Geld, so Kahrs, werde dank der Überschüsse der BA gar nicht gebraucht. Man könne damit die Soli-Streichung gegenfinanzieren. Kahrs: "Schon für den Namen ,Soli' hat kein Bürger mehr Verständnis."

Gegen die von CDU-Fraktionschef Volker Kauder angeregte Soli-Senkung sprach sich Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) aus. Im Deutschlandradio Kultur sagte er, solange der Bund neue Schulden aufnehmen müsse, sehe er keinen Grund für Steuersenkungen.