Abgabe für Aufbau Ost dürfe keine “Dauersteuer“ sein. Karlsruhe muss entscheiden.

Berlin. Als bundesweit erstes Gericht hat das niedersächsische Finanzgericht gestern den Solidaritätszuschlag als verfassungswidrig eingestuft. Das Gericht monierte, dass der "Soli", der 1991 ursprünglich als vorübergehende Abgabe zur Bewältigung der Kosten der deutschen Einheit eingeführt wurde, inzwischen zur Dauersteuer geworden sei. Es folgte damit der Argumentation des Klägers, der vom Bund der Steuerzahler (BdSt) unterstützt wurde.

Die Hannoveraner Richter leiteten den Fall an das Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung weiter. Wann das höchste deutsche Gericht entscheidet, ist noch unklar. Auf Initiative desselben Finanzgerichts hatte Karlsruhe vor einem Jahr bereits die Kürzung der Pendlerpauschale für nichtig erklärt.

Der Solidaritätszuschlag beläuft sich derzeit auf 5,5 Prozent der Einkommens- und Körperschaftssteuer. Das jährliche Aufkommen beträgt rund zwölf Milliarden Euro. Der Zuschlag wird inzwischen längst nicht mehr ausschließlich für den Aufbau Ost verwendet.

Der finanzpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Carl-Ludwig Thiele, begrüßte die Argumentation des Finanzgerichts. Eine Ergänzungsabgabe wie der Soli dürfe tatsächlich nur zur Deckung eines "vorübergehenden Bedarfs" erhoben werden. Thiele plädierte dafür, den Soli im Rahmen einer umfassenden Steuerreform schrittweise abzubauen. CDU und CSU wollen dagegen weiter an dem Zuschlag festhalten. Der finanzpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Leo Dautzenberg, sagte: "Die Union steht fest zum Aufbau Ost. Dazu leistet der Solidaritätszuschlag einen unverzichtbaren Beitrag." Dieser sei gerade in der Krise unverzichtbar.

Gelassen reagierte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD). Er sagte dem Abendblatt: "Das ist zunächst einmal die überraschende Meinung eines einzelnen Landesgerichts. Wie das Bundesverfassungsgericht entscheidet, bleibt abzuwarten. Für uns ist entscheidend, dass der Aufbau Ost fortgeführt wird und der Solidarpakt II weiter gilt."

Linken-Geschäftsführer Dietmar Bartsch sagte: "Sollte das Bundesverfassungsgericht der Auffassung des Finanzgerichts folgen, dann haben sich alle Steuersenkungspläne der Bundesregierung mit einem Schlag erledigt."