Bundestagswahl: NPD-Kandidatin starb. Nachwahl angeordnet. 219 000 Sachsen könnten zum Zünglein an der Waage werden.

Dresden. Die Entscheidung, wer zukünftig die Bundesregierung stellt, fällt möglicherweise gar nicht am 18. September. Denn im Wahlkreis Dresden I wird an diesem Tag nicht gewählt. Ursache ist der plötzliche Tod der NPD-Direktkandidatin Kerstin Lorenz. Da allgemein mit einem knappen Wahlausgang gerechnet wird, könnten die 219 000 Wähler aus "Dresden I" zum Zünglein an der Waage werden.

Die 43 Jahre alte Kerstin Lorenz hatte am vergangenen Montag nach einer Wahlkampfveranstaltung einen Gehirnschlag erlitten und fiel ins Koma. Am Mittwoch starb sie in einem Dresdner Krankenhaus. Das Bundeswahlgesetz läßt für so einen Fall keine Spielräume und schreibt zwingend eine Nachwahl vor. Sie muß spätestens sechs Wochen nach dem ursprünglichen Wahltermin angesetzt werden.

Zwar könnte die NPD theoretisch bis zum 18. September einen neuen Kandidaten aufstellen. Doch tatsächlich hilft das nichts, denn wie in allen deutschen Kommunen haben auch in Dresden bereits Tausende Wahlberechtigte ihre Stimmzettel abgegeben: die Briefwähler.

Sachsens Landeswahlleiterin Irene Schneider-Böttcher setzte deshalb gestern die Bundestagswahl für den 18. September im Wahlkreis Dresden I aus. Ein Termin für die Nachwahl steht noch nicht fest. "Wir wollen Zeitnähe", sagte die Landeswahlleiterin gestern in Dresden. "Spätestens am ersten Oktober-Wochenende, vielleicht auch noch im September."

Die Auswirkungen auf die Bundespolitik sind noch gar nicht abzusehen. In jedem Fall wird Bundeswahlleiter Johann Hahlen am 18. September nur ein tatsächlich vorläufiges amtliches Endergebnis verkünden.

Ursprünglich war geplant, das endgültige Ergebnis am 6. Oktober zu verkünden. Ob dieser Termin zu halten ist, bleibt fraglich.

Die 219 000 Wähler im Wahlkreis Dresden I dürften auch das Kräfteverhältnis im Bundestag beeinflussen. Sie machen immerhin 6,2 Prozent der sächsischen Wähler aus. Sowohl bei den Wahlkreisstimmen als auch bei den über Listen errungenen Mandaten sind nach Hahlens Aussage noch Verschiebungen möglich.

Doch hängt möglicherweise noch viel mehr an der Nachwahl. Vor drei Jahren waren es nur rund 6000 Stimmen Vorsprung vor der Union, die die SPD zur stärksten Fraktion im Bundestag und damit erneut zur Regierungspartei machten. Bei ähnlich knappem Wahlausgang könnten die Dresdner eine Menge bewirken.

Der Berliner Staatsrechtler Ulrich Battis sieht deshalb in der Veröffentlichung von Resultaten am 18. September das Problem der Wahlbeeinflussung. "Da wird in Dresden dann später mancher anders wählen", sagte er. Der Düsseldorfer Parteienrechtler Martin Morlok hält den Effekt aber für unerheblich. Wahlen seien ein Massenereignis.