Bundestagswahl: Tod einer Wahlkreiskandidatin verzögert Endergebnis. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen. Die gleiche Situation gab es in den Jahren 1961 und 1965.

Berlin. Was passiert, wenn ein Wahlkreisbewerber stirbt?

Das deutsche Wahlrecht ist auf alle Eventualitäten eingestellt. Was zu geschehen hat, wenn ein Wahlkreisbewerber kurz vor einer Bundestagswahl stirbt, wie jetzt im Wahlkreis 160 (Dresden I) die NPD-Direktkandidatin Kerstin Lorenz, ist im Bundeswahlgesetz und in der Bundeswahlordnung geregelt.

Der Kreiswahlleiter muß dann in diesem Wahlkreis die Wahl absagen und eine Nachwahl anordnen. Sie muß spätestens sechs Wochen nach dem eigentlichen Wahltag stattfinden. Ein Termin für die Nachwahl im Wahlkreis Dresden I wurde noch nicht bestimmt. Sie soll nach den Plänen der sächsischen Landeswahlbehörde voraussichtlich Anfang Oktober stattfinden.

Wer bestimmt den neuen Wahlkreisbewerber?

Ein Wahlkreiskandidat muß bereits bei der Bewerbung eine Vertrauensperson bestimmen. Diese Vertrauensperson wird vom Kreiswahlleiter schriftlich aufgefordert, einen anderen Bewerber zu nennen. Ganz praktisch heißt das in Dresden: Die NPD muß einen Ersatzkandidaten für die verstorbene Kandidatin Kerstin Lorenz benennen. Selbst wenn dies rasch geschehe, sei der Wahltermin 18. September für den Wahlkreis Dresden I aber nicht mehr zu halten, sagte die stellvertretende sächsische Landeswahlleiterin Carolin Schreck. Für die oder den neue(n) Bewerber(in) müssen keine neuen Unterstützer-Unterschriften eingereicht werden, wie es sonst vorgeschrieben ist. Ansonsten gelten für die Nachwahl dieselben Vorschriften wie für die Hauptwahl.

Muß die Briefwahl wiederholt werden?

Ja, aber natürlich nur im Wahlkreis 160: Dresden I. Bereits abgegebene Briefwahl-Stimmen werden vernichtet. Es werden neue Wahlscheine ausgegeben. Wer Briefwahl beantragt hatte, bekommt neue Briefwahl-Unterlagen, sobald die neuen Stimmzettel gedruckt sind und verschickt werden können. Auch deshalb ist ein kleiner zeitlicher Vorlauf bis zur Nachwahl nötig.

Könnte sich die Bundestagswahl in Dresden entscheiden?

Falls die Bundestagswahl am 18. September knapp ausgeht, könnte es in der Tat eine Hängepartie geben und das Ergebnis der späteren Nachwahl im Wahlkreis Dresden I dann entscheidend sein. Im Wahlkreis Dresden I gibt es rund 219 000 Wahlberechtigte. Auf die kann es in der Tat endgültig ankommen. Zur Erinnerung: Bei der Bundestagswahl 2002 stand erst nach einer langen Zitterpartie am späten Abend fest, daß die SPD etwa 6000 Stimmen mehr als CDU und CSU bekommen hatte, mithin die stärkste Bundestagsfraktion und auch mit Wolfgang Thierse wieder den Bundestagspräsidenten stellen konnte. Sollte die Bundestagswahl knapp ausgehen, wird sich womöglich erst bei der Nachwahl in Dresden entscheiden, welche Koalition im Bund gebildet werden kann.

Kann es durch die Nachwahl Überhangmandate geben?

Das ist nicht auszuschließen. Die Erststimme (links auf dem Wahlzettel) ist für die Wahl eines Wahlkreisabgeordneten. Mit der Zweitstimme (rechts auf dem Stimmzettel) kann man die Landesliste der jeweils bevorzugten Partei wählen. Die Zweitstimme entscheidet darüber, wie stark eine Partei im Parlament vertreten ist. Denn anhand dieser Zweitstimmen wird der Anteil der Abgeordnetenmandate festgelegt, die auf eine Partei entfallen. Von diesen Gesamtmandaten werden die Direktmandate abgezogen. Die übrigen Mandate werden über die Landesliste verteilt. Erst- und Zweitstimme müssen keineswegs derselben Partei gegeben werden. Sie können auch gesplittet werden. Das kann dazu führen, daß eine Partei über die Erststimme mehr Mandate holt als ihr nach dem Verhältnis der Zweitstimmen eigentlich zustehen.

Über die Erststimme direkt gewählte Abgeordnete dürfen ihr Mandat natürlich behalten. Die Zahl der Sitze im Bundestag erhöht sich dann um diese Überhangmandate. Je nach Ausgang der Nachwahl in Dresden könnte ein solches Überhangmandat entstehen, nach derzeitigem Stand der Meinungsumfragen am ehesten für die CDU.

Verzögert sich durch die Nachwahl die Konstituierung des nächsten Bundestages?

Eher nicht. Der nächste Bundestag muß sich spätestens 30 Tage nach der Wahl am 18. September konstituieren. Da die Nachwahl in Dresden bereits Anfang Oktober stattfinden soll, gäbe es da also keine Probleme.

Waren schon öfter Nachwahlen nötig wie jetzt in Dresden?

Das gab es schon bei zwei Bundestagswahlen, weil zuvor Direktkandidaten gestorben waren. 1961 im rheinland-pfälzischen Cochem, 1965 im Obertaunuskreis sowie in Schweinfurt, wo ein Bewerber Selbstmord verübt hatte.

Die Nachwahlen fanden jeweils zwei Wochen nach dem regulären Wahltermin statt.