Kommentar: Nachwahl in Sachsen

In der Fußball-Bundesliga gibt es eine eiserne Regel. Am letzten Spieltag werden alle neun Spiele am Sonnabend nachmittag angesetzt. Ergebnistaktieren soll damit auf ein Minimum beschränkt werden. Übertragen auf die Bundestagswahl am 18. September hat die sächsische Landeswahlleiterin gestern quasi eine Partie zwei Wochen später angesetzt. Und das Verrückte ist: Sie kann gar nicht anders. Das Gesetz schreibt es so vor.

Für die Wählerinnen und Wähler im Wahlkreis Dresden I ist damit jetzt schon klar, daß sie einen Sonderwahlkampf erleben werden, sollte es beim Urnengang in gut einer Woche nicht zu einem klaren Ergebnis kommen. Dann rücken sie alle an: der Kanzler, seine Herausforderin, Fischer mit seinem Bus, Westerwelle und vornweg natürlich Gysi und Lafontaine, um unter den 219 000 Stimmen die entscheidenden für sich herauszufischen. Und sie werden bewußter wählen. Wen - das wird sich zeigen.

2002 wurde die Wahl nicht zuletzt im Elbtal entschieden. Nach der Flut zeigten sich Dresden und Umgebung für die prompte Hilfe aus Berlin erkenntlich und gaben Gerhard Schröder eine weitere Legislaturperiode die Macht. Gut möglich, daß es nun wieder Dresdner Bürger sind, die den Ausschlag geben. Edmund Stoibers Furcht, die Wahl könne wieder im Osten entschieden werden, bekommt so eine vollkommen neue Dimension.

Doch vielleicht kommt alles ja auch ganz anders und Deutschland sorgt schon am 18. September für so klare Verhältnisse, daß die Nachwahl in Sachsens Hauptstadt zur Bedeutungslosigkeit verkommt. Das hoffen die Verantwortlichen in den Parteiführungen mit Sicherheit, wissen können sie es allerdings nicht. Deshalb wohl auch das klamme Schweigen gestern in allen Parteizentralen.

Eines jedenfalls ist sicher: Wie vor drei Jahren blickt die Nation wieder gebannt nach Dresden.