Der Regierungschef fehlte beim Parteitag, meldete sich aber per Zeitung zu Wort: Vor der Sommerpause will er wieder arbeiten. Sehen Sie Bilder von Ministerpräsident Althaus.

Waltershausen/Hamburg. Am Sonnabend noch, bei seiner eigenen Wahl zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl, war Dieter Althaus unpässlich gewesen. Einen Tag danach zeigte sich Thüringens Ministerpräsident, für den die CDU-Delegierten tags zuvor in Waltershausen in beeindruckender Mehrheit gestimmt hatten, auf Fotos am Bodensee, veröffentlicht in der "Bild am Sonntag".

Der Zeitung sagte Althaus, durch den Unfall sei er von heute auf morgen in ein anderes Leben gekommen und dass er irgendwann wieder Ski fahren wolle - vielleicht sogar schon im kommenden Jahr. Es war das erste Mal seit seinem Skiunfall am Neujahrstag, dass sich Thüringens Ministerpräsident in dieser Form der Öffentlichkeit stellte. Dabei blieb es nicht. In der heutigen Ausgabe der "Bild"-Zeitung weist Althaus eine Schuld an dem Unglück, bei dem eine Frau starb, von sich: "Schuld ist nicht die richtige Kategorie, um ein solch tragisches Unglück zu bewerten. Ich fühle mich aber verantwortlich."

Auf einer Piste in Österreich war er mit der 41 Jahre alten Beata Christandl zusammengestoßen, die auf dem Weg ins Krankenhaus starb. Althaus selbst erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma. In einem Blitzverfahren wegen fahrlässiger Tötung wurde Althaus zu einer Strafe von 33 300 Euro und einem Schmerzensgeld von 5000 Euro verurteilt. Er befindet sich derzeit noch in einer Rehaklinik am Bodensee.

An den Unfall habe er keine Erinnerung mehr, sagte Althaus der "Bild"-Zeitung. "Mein allererstes festes Bild stammt aus Jena, etwa zehn Tage nach dem Unfall. Da stehen der Chefarzt und seine Ärzte bei der Visite um mich." Seine Frau habe ihm schon früh von dem Unglück und der toten Frau erzählt. Auch den Zeitpunkt seiner Rückkehr konkretisierte Althaus: "Noch vor der Sommerpause werde ich politisch wieder an Bord sein."

Dass Althaus am Sonnabend bei der Partei fehlte, sich dafür am Sonntag per Zeitung zu Wort meldete, hat Thüringens Regierungssprecher Fried Dahmen verteidigt: "Irgendwann musste er sich ja zurückmelden, und das ist jetzt passiert." Der Auftritt auf einer sich über Stunden hinziehenden Versammlung sei dem Kranken dagegen noch nicht zuzumuten.

So war am Sonnabend noch einmal deutlich geworden, in welcher merkwürdigen Lage die Thüringer CDU seit zweieinhalb Monaten steckt: Die Landesvertreterversammlung im kleinen Örtchen Waltershausen fand ohne den wichtigsten Akteur statt. Es gab am Anfang nur ein Grußwort des Ministerpräsidenten, der im Sommer wiedergewählt werden will. Seine Stellvertreterin Birgit Diezel trug es vor: "Noch vor der Sommerpause werde ich meine Geschäfte wieder aufnehmen können." Das, was am Neujahrstag geschehen sei, sei für ihn immer noch unfassbar, "die letzten Wochen waren die schwersten meines Lebens", schrieb Althaus seinen Parteifreunden. "Ich weiß, dass das Überleben nach einem solchen Unfallgeschehen und eine vollständige Genesung nicht selbstverständlich sind. In den letzten Wochen bin ich mir der Begrenztheit menschlichen Handelns und Seins noch bewusster geworden. Wir können Pläne haben, wir können auf Sicherheiten setzen, aber ein solch schicksalhaftes Ereignis kann von einem auf den anderen Moment alles verändern."

Eine Aussage, die ein wenig in die Seele eines Phantoms blicken ließ, das seit Monaten von der Bildfläche verschwunden ist. Auch die Delegierten hatten seit dem Unfall nichts von ihm gehört, doch nun klatschten sie lange und rhythmisch. "Ich bin bereit, dem Freistaat weiter zu dienen. Ich weiß, dass ich mich auf Euch verlassen kann - und Ihr wisst, dass Ihr Euch auf mich verlassen könnt", so Althaus in der Mitteilung. Der Dank der Delegierten: 94,6 Prozent ihrer Stimmen. Das war, auch gemessen an manchen Unkenrufen, die den CDU-Politikern nicht verborgen geblieben sind, ein sehr gutes Ergebnis.

Beim letzten Mal hatte Althaus 100 Prozent bekommen. Aber jetzt ist er ein anderer als damals. Ein Politiker, der vorbestraft ist und die Verantwortung für den Tod einer 41-Jährigen einräumen musste. Ein Mensch, der nach einem Schädel-Hirn-Trauma immer noch nicht wieder ganz gesund ist. "Ich habe ihn erst kürzlich getroffen, sein Zustand und seine Geistesgegenwart sind beeindruckend. Dieter Althaus ist wieder da, er kehrt zurück, er wird seine schwere Erfahrung meistern, sie wird ihn weiterbringen." Es war der Ehrenvorsitzende der Thüringer CDU, Bernhard Vogel, der diese Worte an die Delegierten richtete.

Mit Vogels Beschwören der Gesundung Althaus' und dem Versuch, die Zweifel an dessen Zustand zu zerstreuen, war das Motto der Veranstaltung vorgegeben: Es sollte Einigkeit demonstriert werden. Die Listen wurden zügig durchgewinkt, und so war der emotionale Anfang mit der Wahl Althaus' auch gleichzeitig der Höhepunkt des Waltershausener Treffens.

Es war ein seltsames Schauspiel in der Mehrzweckhalle dieses schmucklosen Freizeitzentrums, das sich die CDU als Tagungsort ausgesucht hatte: Lächelnd nahm Finanzministerin Diezel die Ovationen für den Rekonvaleszenten Althaus entgegen. Aber dann meldete sich Althaus doch noch zu Wort, mit einer SMS: "Die CDU Thüringen steht für klare Verhältnisse, das Ergebnis ist Ansporn und Verpflichtung zugleich", tippte Althaus. Irgendwie war er dann doch mitten unter ihnen.