Der Berliner Piraten-Chef Hartmut Semken ist nach nur drei Monaten im Amt zurückgetreten. Mit diesem Schritt überrascht er vor allem Parteifreunde.

Berlin. Nach nur drei Monaten im Amt hat der Berliner Piraten-Chef Hartmut Semken seinen Rücktritt angekündigt. Er habe die Entscheidung am Dienstagabend im Anschluss an eine Vorstandssitzung getroffen, sagte er und bestätigte damit einen Bericht von "Tagesspiegel Online“. Zu den genauen Gründe wolle er sich vorerst nicht äußern. "Ich habe aber viel Vertrauen in den Landesverband, dass er die übrigen Vorstandsmitglieder nach Kräften unterstützen wird und dass die 3.450 Mitglieder der Berliner Piraten die Situation meistern werden“, sagte er.

Semken hatte das Amt erst im Februar von seinem Vorgänger Gerhard Angerer übernommen. Ein Auslöser für seinen Rücktritt waren nun offenbar Unstimmigkeiten, die innerhalb der vergangenen Woche im Landesvorstand entstanden waren. So hat es laut Parteisprecher Ben de Biel Streit gegeben, weil Semken aus vertraulichen Sitzungen Informationen nach außen weitergegeben habe, obwohl man zuvor eine andere Strategie verabredet habe. Einige Vorstandsmitglieder hätten darin einen großen Vertrauensbruch gesehen, sagte der Sprecher.

Bereits in den Wochen zuvor war Semken aus den eigenen Reihen scharf kritisiert worden. Grund waren seine umstrittene Äußerungen in der Debatte der Piraten über den richtigen Umgang mit dem Rechtsextremismus. Der Berliner Landeschef hatte eine rigorose Abgrenzung gegenüber Rechtsextremen abgelehnt. Drei Mitglieder legten ihm deswegen zunächst in einem offenen Brief den Rücktritt nahe, nahmen nach einer Aussprache allerdings später wieder Abstand von der Forderung.

Einer der Unterzeichner war Oliver Höfinghoff. Der Berliner Pirat, der auch Fraktionsmitglied im Abgeordnetenhaus ist, zeigte sich am Mittwoch auf Anfrage durchaus überrascht von Semkens Entschluss. Es sei "schade“, dass die Partei ihren Vorsitzenden verliere. "Wenn er sich als Vorsitzender auf eine verwaltende Tätigkeit konzentriert hätte, dann hätte er sicherlich eine Bereicherung für die Partei sein können“, sagte Höfinghoff.

Ähnlich äußerte sich der Parlamentarische Geschäftsführer im Abgeordnetenhaus, Martin Delius. Der freiwillige Rückzug sei mutig und unterscheide Semken von vielen Vorsitzenden der etablierten Parteien, sagte er auf Anfrage. Allerdings habe Semken bei seinem Amtsantritt verkündet, sich nicht vorrangig politisch zu äußern und sich vor allem um die Verwaltung zu kümmern. "Diesen eigenen Anspruch hat er nicht erfüllt“, kritisierte Delius.

Unterdessen begrüßte der Bundesvorsitzende Bernd Schlömer Semkens Rücktritt. Er habe "die richtigen Schlüsse“ aus der wochenlangen internen Debatte über seine Amtsführung gezogen, sagte Schlömer "Spiegel Online“. Zugleich rief er die Hauptstadtpiraten zur Lösung ihrer Probleme auf. "Ich hoffe, dass dieser mutige Schritt für Ruhe im Berliner Landesverband sorgen wird“, sagte Schlömer.

Am Mittwochabend wollte sich der Vorstand zu einer außerordentlichen Sitzung treffen und über das weitere Vorgehen beraten. Nach der bisherigen Planung soll im September auf einem Parteitag ein Nachfolger gewählt werden.

Dass der schnelle Personalwechsel die Partei in eine Krise stürzen könnte, glaubt der Berliner Pirat Delius derweil nicht. "Die Partei ist dezentral organisiert und der Landesvorstand ist nach wie vor arbeitsfähig“, sagte er. Deshalb werde man auch einen geeigneten Nachfolger finden. Über Namen wollte der Abgeordnete nicht spekulieren. Es sei aber wichtig, dass die Partei dem neuen Vorsitzenden im Vorfeld "deutlich auf den Zahn fühlt“.