Nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen wird das Regieren schwieriger in Berlin.

Die Nerven wird Angela Merkel nicht verlieren - so wie Gerhard Schröder am 22. Mai 2005 bei einer historischen Niederlage seiner Partei in Nordrhein-Westfalen. Der Kanzler hatte damals nach den ersten Hochrechnungen Neuwahlen im Bund angekündigt, weil er "die politische Grundlage" für die Fortsetzung der rot-grünen Koalition infrage gestellt sah. Dies zeigt, wie wichtig das bevölkerungsreichste Bundesland im Machtgefüge der Republik ist.

Das Ergebnis dieses Mai-Sonntags entzieht der schwarz-gelben Koalition zwar nicht die politische Grundlage, es erschüttert aber das Fundament des Bündnisses. Für die Koalition, die sich in den vergangenen Monaten ohnehin mehr raufte als zusammenraufte, wird das Regieren nicht einfacher werden.

So dürfte das Ergebnis von Düsseldorf vor allem die FDP verändern. Noch vor wenigen Wochen schien ihr Schicksal besiegelt: Die Partei wirkte inhaltlich wie personell ausgezehrt, die Stimmenanteile in Umfragen waren kaum noch messbar, die Nachrufe längst verfasst. Nach den Triumphen von Wolfgang Kubicki in Schleswig-Holstein und von Christian Lindner in Nordrhein-Westfalen hat die Partei plötzlich zwei selbstbewusste Führungskräfte, die sich stärker von der Union abgrenzen werden. Beide verstehen die FDP nicht als bloße Steuersenkungspartei und werden sie inhaltlich fortentwickeln. Das wird nicht ohne Streit in Berlin funktionieren.

Für die CDU ist das Ergebnis ein Tiefschlag. 2005 gewann ihr Kandidat Jürgen Rüttgers knapp 45 Prozent, sein Nachfolger halbierte das Ergebnis fast. Norbert Röttgen hat sich als Hoffnungsträger selbst entzaubert. Rund 26 Prozent sind ein Debakel für einen Karrierepolitiker, der sich zu Höherem berufen fühlt, aber Höchstleistungen schuldig blieb. Nach seinem Rücktritt als CDU-Landeschef darf man diese Karriere als vorerst gescheitert ansehen. Damit dünnt die personelle Decke der Union weiter aus. Thomas de Maiziere ist der einzige Unions-Politiker, dem man dieser Tage eine Nachfolge der Kanzlerin überhaupt zutrauen möchte. Angela Merkel ist für die Union so "alternativlos", wie es Helmut Kohl nur zu Wiedervereinigungszeiten war. Ihre Beliebtheit allein gibt der CDU derzeit die Hoffnung, 2013 ein gutes Bundestagswahlergebnis zu erzielen. Aber wenn die Union in NRW dann noch immer so schwächelt, wird ihr das nicht helfen.

Denn plötzlich ist die rot-grüne Option zurück. Dieses Ergebnis schenkt Sozialdemokraten wie Grünen neues Selbstvertrauen - zumal die Wähler binnen acht Tagen zum zweiten Mal die Linke aus dem Parlament gekegelt haben. Sollte sich deren Niedergang fortsetzen, dürften mittelfristig viele linke Protestwähler zu SPD oder Grünen zurückfinden.

Insgesamt steht das linke Lager heute stärker da als das bürgerliche. Und mit Hannelore Kraft, der Siegerin von Düsseldorf, verfügt die SPD plötzlich über eine Frau, die den Dreikampf der SPD-Granden Steinbrück, Gabriel und Steinmeier um die Kanzlerkandidatur noch in einen Vierkampf verwandeln könnte.

Das Ergebnis von Düsseldorf dürfte bis nach Europa ausstrahlen. Röttgen hatte die Wahl eine "Abstimmung über die Europapolitik der Bundesregierung" genannt, bevor Angela Merkel ihm öffentlich widersprach. Zwar haben die Menschen zwischen Münsterland und Eifel einen Landtag und eine Landesmutter gewählt, doch die Wahrnehmung im Ausland könnte eine andere sein. Sollte sich in Europa der Eindruck festigen, Merkel sei eine Kanzlerin auf Abruf, dürfte dies ihren Einfluss und ihre Macht schmälern.

Angela Merkel wird in Zukunft starke Nerven brauchen.