Ungeachtet rot-rot-grüner Sondierungen wartet Rüttgers auf seine Chance. Die stärkste Fraktion müsse den Ministerpräsidenten stellen.

Hamburg. Jürgen Rüttgers (CDU) erweckt den Eindruck, als sei nichts passiert. Der nordrheinwestfälische Ministerpräsident absolviert seine Pflichttermine wie eh und je. Doch wie es nach dem Wahldebakel für ihn und seine Partei weitergeht an Rhein und Ruhr, dazu schweigt der Landesvater. Denn nun kommt das Koalitionskarussell in Gang, die ersten Fraktionen loten in Düsseldorf ihre möglichen künftigen Partner aus. Einen Tag, bevor SPD und Grüne zu Sondierungsgesprächen mit dem möglichen Koalitionspartner Die Linke zusammenkommen, wagt die CDU einen Vorstoß in Richtung SPD: Mit deutlichen Worten warb Integrations- und Familienminister Armin Laschet (CDU) für eine Große Koalition. Im Hamburger Abendblatt bekräftigte der Minister das Gesprächsangebot der CDU an die SPD: "Auch für eine Große Koalition ist die Union offen."

Laschet lehnte jedoch die Forderung von SPD-Parteichef Sigmar Gabriel ab, in einer Großen Koalition in Düsseldorf müsse die SPD den Ministerpräsidenten stellen. Dazu sagte Laschet dem Abendblatt: "Die SPD hat genauso Stimmen verloren wie wir. Die CDU liegt dennoch vorn, und diesen Wählerwillen muss die SPD akzeptieren. In den letzten 60 Jahren hat es noch nie die Situation gegeben, dass die zweitstärkste Fraktion in einer Koalition den Regierungschef gestellt hat. "

Wenn Gabriel eine Große Koalition wolle, seien die Bedingungen dafür klar: "Die stärkste Fraktion stellt den Ministerpräsidenten. Eins ist klar: Es wird in einer Großen Koalition keine SPD-Ministerpräsidentin Kraft geben." Es sei klar, wer für die CDU Ministerpräsident werden solle: "Jürgen Rüttgers." Der Landesminister gab sich angesichts der morgen beginnenden Verhandlungen der politischen Gegner demonstrativ entspannt: "Solange SPD, Grüne und Linke glauben, dass sie die Wahl klar gewonnen haben, so lange muss man sie erst mal machen lassen." Die CDU überlässt damit der SPD die Entscheidung: Entweder die Sozialdemokraten verzichten auf den Ministerpräsidenten - oder sie müssen sich mit den von ihnen selbst zuvor als regierungsunfähig diskreditierten Linken zusammentun. "Bei den Verhandlungen am Donnerstag und Freitag zwischen SPD und der Linken wird sich zeigen, wie stark der innere Wille der SPD zu einem Bündnis mit Linksextremisten ist", stichelte Laschet.

Sollte sich die SPD doch für eine Große Koalition entscheiden, stehen Laschet zufolge schwierige Gespräche beispielsweise in der Bildungspolitik bevor. "Bei der Haushaltskonsolidierung und in Energiefragen dürfte man dagegen wesentlich näher liegen."

Auch in Teilen der SPD wird die schwarz-rote Option offenbar wieder stärker in Erwägung gezogen. Der ehemalige Fraktionschef der SPD im Landtag, Edgar Moron, sprach sich klar gegen ein Linksbündnis aus: NordrheinWestfalen stecke in einer schwierigen Phase, sagte er "Spiegel Online". "Da braucht es verantwortungsvolle Politik. Die sehe ich bei der Linken nicht." Moron, der bis zuletzt Vize-Landtagspräsident war, der neuen SPD-Fraktion aber nicht mehr angehören wird, warb für eine Große Koalition mit der CDU. "Ich glaube, dass es bei der CDU auch vernünftige Leute gibt. Leute, die sehen, dass wir die Kommunen nicht weiter finanziell ins Abseits taumeln lassen dürfen, dass wir in der Bildungspolitik neue Wege gehen müssen."

Vor den Gesprächen mit der Linkspartei will die SPD das Demokratieverständnis des möglichen Koalitionspartners zum Thema machen. Inhaltliche Fragen sollten zunächst "relativ weit hinten" kommen, sagte Fraktionschefin Hannelore Kraft gestern in Düsseldorf.

Zugleich übte der neue Vorsitzende der Linkspartei, Klaus Ernst, erneut Druck auf die nordrhein-westfälischen Sozialdemokraten aus, indem er vor "hessischen Verhältnissen" warnte. Bevor es zu Verhandlungen kommen könne, müsse SPD-Spitzenkandidatin Kraft eine "belastbare Garantie" abgeben, dass die Fraktion in der Frage nach einer Zusammenarbeit mit der Linken hinter ihr stehe, forderte Ernst. "Wir wollen nicht wieder monatelang verhandeln, und dann machen zwei Handvoll Heckenschützen aus der SPD alles kaputt", sagte Ernst.