Umweltminister Röttgen will den Bundesrat an der Laufzeitverlängerung beteiligen. Er stößt auf wütenden Protest - und manche Unterstützung

Hamburg. Der Streit über einen längeren Betrieb der deutschen Kernkraftwerke hat sich zugespitzt. Vor allem die süddeutschen Landesregierungen pochen auf eine Gesetzesänderung, die den von Rot-Grün beschlossenen Atomausstieg rückgängig macht.

Der Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Bundesregierung sieht Verhandlungen mit den Energieversorgern über eine Laufzeitverlängerung vor. Allerdings haben Union und FDP mit der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ihre Mehrheit im Bundesrat verloren.

Weil Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) eine Laufzeitverlängerung von der Zustimmung der Länderkammer abhängig machen will, wurde er gestern vom baden-württembergischen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) scharf angegriffen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) müsse ein Machtwort sprechen, forderte Mappus: "Ich erwarte vom heutigen Tag, dass der Kollege Röttgen zurückgepfiffen wird." Wer nicht im Team spielen wolle, solle sich eine andere Sportart suchen.

Die Landesumweltminister von Baden-Württemberg, Hessen und Bayern, Tanja Gönner, Silke Lautenschläger (beide CDU) und Markus Söder (CSU), erklärten: "Wir sind weiterhin gemeinsam der Auffassung, dass ein zustimmungsfreies verfassungskonformes Gesetz zur Verlängerung von Laufzeiten der deutschen Kernkraftwerke möglich ist."

Bundesumweltminister Röttgen steht mit seiner Meinung allerdings nicht allein da in den Koalitionsparteien. Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) sagte dem Hamburger Abendblatt: "Ich gehe davon aus, dass der Bundesrat einer Laufzeitverlängerung zustimmen muss, denn die Länder sind bekanntlich vom Vollzug des Atomgesetzes betroffen."

Die Atomenergie sei eine Brückentechnologie, die auf Dauer abgelöst werden müsse von einer nachhaltigen, sicheren und kostengünstigen Versorgung auf der Basis erneuerbarer Energien, sagte Müller, der an der Saar mit FDP und Grünen in einer Jamaika-Koalition regiert. "Deshalb hält die saarländische Landesregierung am gesetzlich festgelegten Atomausstieg fest. Änderungen, die das Ziel haben, die Laufzeit der bestehenden Reaktoren zu verlängern, wird das Saarland im Bundesrat nicht zustimmen."

Auch aus Schleswig-Holstein kommt Unterstützung für den Bundesumweltminister. Jürgen Koppelin, Landevorsitzender der FDP in Schleswig-Holstein, sagte dem Abendblatt: "Den Bundesrat in so einer wichtigen Zukunftsfrage auszugrenzen, halte ich aus meinem demokratischen Verständnis heraus für nicht in Ordnung." Koppelin äußerte Unverständnis über Mappus: "Über den Ton, in dem Herr Mappus Herrn Röttgen angreift, kann ich mich nur wundern."

Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) sagte der "Thüringer Allgemeinen": "Wir brauchen kein Mogelgesetz." Bei der Novelle würden sehr wohl Länderinteressen berührt, weshalb der Bundesrat zustimmen müsse. Die Angriffe des baden-württembergischen Ministerpräsidenten auf Röttgen seien unangemessen.

Die süddeutschen Bundesländer, in denen die meisten Atomkraftwerke stehen, werten Röttgens Aussage dagegen als Affront. Schließlich käme es angesichts der veränderten Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat einem freiwilligen Verzicht auf die Laufzeitverlängerung gleich, sich bei einer Änderung des Atomausstiegsgesetzes auf die Länderkammer zu verlassen. Um einer Blockade zu entgehen, hatte der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) im Hamburger Abendblatt vorgeschlagen, den Gesetzestext für die geplante Laufzeitverlängerung so zu formulieren, dass man keine Zustimmungspflicht der Bundesländer daraus ableiten könne. Die Zustimmung der Länderkammer benötigen Gesetzentwürfe dann, wenn sie in die Zuständigkeit von Landesbehörden eingreifen. Nach Ansicht einiger Juristen könnten längere Laufzeiten einen solchen Eingriff darstellen, weil die Bundesländer dann länger für die Atomaufsicht zuständig wären.

Das Bundeskanzleramt hatte am Wochenende seine Zustimmung zu Kochs Position signalisiert. Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) kündigte in einem Gespräch mit der "WAZ-Gruppe" an: "Bei der Verlängerung der Laufzeiten werden wir ein verfassungskonformes, zustimmungsfreies Gesetz haben."