CDU-Regierungschefs, unter ihnen der Hamburger Bürgermeister, verlangen den Verzicht auf Steuersenkungen - und beißen auf Granit.

Berlin. Die Steuerpolitik droht nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen zu einer Zerreißprobe für die schwarz-gelbe Bundesregierung zu werden. FDP-Präsidiumsmitglied Silvana Koch-Mehrin warnte die Union davor, wegen der Schuldenkrise in der Euro-Zone von den geplanten Steuersenkungen abzurücken. Die Hilfen für Griechenland änderten nichts an den Vereinbarungen des Koalitionsvertrages, sagte die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments dem Hamburger Abendblatt. "An den Steuersenkungen, auf die sich Union und FDP für diese Wahlperiode verständigt haben, darf nicht gerüttelt werden." Die Liberalen fordern noch in dieser Legislaturperiode weitere Entlastungen in Höhe von 16 Milliarden Euro.

Die Steuerschätzung habe gezeigt, dass "im vereinbarten Zeitraum Spielräume da sind", betonte Koch-Mehrin. "Wer versucht, die geplante Entlastung der Bürger unter dem Vorwand der Griechenland-Hilfen zu umgehen, schürt antieuropäische Ressentiments."

Mehrere CDU-Ministerpräsidenten verlangen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Abkehr von Steuersenkungen. Wie der "Spiegel" berichtet, forderte der hessische Ministerpräsident Roland Koch bei einem Treffen am Vorabend der Bundesratssitzung am Freitag eine Verzichtserklärung der Bundesregierung. Merkel habe dies aus Rücksicht auf den Koalitionspartner FDP abgelehnt.

Es sei ein Gebot der Ehrlichkeit, den Bürgern zu erklären, dass Steuersenkungen in dieser Legislaturperiode nicht mehr möglich seien, soll Koch gesagt haben. Auch der saarländische Ministerpräsident Peter Müller und sein schleswig-holsteinischer Kollege Peter Harry Carstensen hätten auf die extrem angespannte Lage in ihren Landeshaushalten hingewiesen. Hamburgs Erster Bürgermeister Ole von Beust (CDU) sagte der Nachrichtenagentur dpa: "Im Moment wären Steuersenkungen eine grausige Vorstellung für die Länder und vor allem auch für viele Kommunen." Nach der jüngsten Steuerschätzung müssen sich die öffentlichen Haushalte bis Ende 2013 auf 39 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen einstellen als bisher geplant. Besonders betroffen sind die Kommunen.

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) machte sich angesichts der griechischen Schuldenkrise für größere Sparanstrengungen in der Euro-Zone stark und empfahl die Schuldenbremse im Grundgesetz als Modell. "Zur Verhinderung künftiger Krisen im Euro-Raum brauchen wir effektive Regeln, die eine solide Haushaltspolitik in allen Mitgliedstaaten nachhaltig sichern", sagte Schäuble am Sonnabend dem Abendblatt. "Wirksame nationale Vorgaben, wie wir sie zum Beispiel mit der verfassungsrechtlichen Schuldenbremse in Deutschland eingeführt haben, sind eine wichtige und sinnvolle Ergänzung und stärken das Vertrauen in die Stabilität der Euro-Zone."

Zuvor hatte bereits der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, eine Schuldenbremse für die gesamte Währungsunion ins Gespräch gebracht. "Eine Schuldenbremse für die Euro-Zone ist ein Gedanke, den ich für überlegenswert halte", sagte Voßkuhle im Abendblatt-Interview. "Wir haben bereits Stabilitätskriterien in den Verträgen verankert. Ihre effektive Kontrolle ist das Problem." Die Schuldenbremse im Grundgesetz schreibt vor, dass der Bund seine Neuverschuldung von 2011 bis 2016 auf 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zurückführen muss.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) drängt Kanzlerin Merkel zu konsequenten Ausgabenkürzungen und zu niedrigeren Steuern. "Die Staatsquote strebt inzwischen bedenklich gegen die Schmerzgrenze von 50 Prozent", zitierte der "Tagesspiegel" aus einem Brief von DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann an Merkel. Es müsse nun darum gehen, den Handlungsspielraum künftiger Generationen nicht weiter einzuengen, schreibt er weiter. Als Ziel nannte er "ein wachstumsförderliches Maß von unter 40 Prozent". Die notwendige Konsolidierung könne nur mit dem Abbau von Subventionen gelingen.