Wann werden die Steuern weiter gesenkt? Diese Wahlperiode nicht mehr, sagt Finanzminister Schäuble und rückt damit vom Koalitionsvertrag ab.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble rechnet nicht mehr mit einer vollständigen Umsetzung der Steuersenkungsversprechen der schwarz-gelben Koalition in dieser Wahlperiode. Zwar schließe eine schwierige wirtschaftliche Lage die Möglichkeit zu politischer Gestaltung nicht aus. Der Spielraum dafür sei im Moment aber äußerst begrenzt, sagte Schäuble am Donnerstag in Berlin beim „Steuerforum“ des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH).

Die Bundesregierung werde aber „über diese Legislaturperiode hinaus den Spielraum gewinnen, das was wir uns vorgenommen haben, auf den Weg zu setzen“. Schließlich wollten Union und FDP länger als vier Jahre gemeinsam regieren, so Schäuble. Dabei zog er einen Vergleich zur dreistufigen Steuerreform der Jahre 1986 bis 1990 unter seinem Vorgänger Gerhard Stoltenberg (CDU). Auch damals seien wesentliche Entlastungen erst in der folgenden Legislaturperiode wirksam geworden.

Im Koalitionsvertrag heißt es dagegen, dass die volle Entlastung schon in dieser Wahlperiode greifen soll. Union und FDP hatten für die Jahre von 2009 bis 2013 steuerliche Entlastungen für untere und mittlere Einkommen sowie für Familien im Unfang von 24 Milliarden Euro vereinbart. Schäuble sagte, davon seien 5,5 Milliarden Euro mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz bereits umgesetzt worden. Von den restlichen 19,5 Milliarden Euro müssten der Bund acht sowie die Länder und Kommunen 11,5 Milliarden Euro schultern.

Für Einnahmeausfälle in dieser Größenordung gebe es, unabhängig vom Ausgang der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai, keine Mehrheit im Bundesrat, sagte der CDU-Politiker. Tatsächlich kommt schon seit Monaten Widerstand gegen die Pläne der Koalition auch aus unionsgeführten Ländern. Schäuble sagte, andererseits könne der Bund wegen der Schuldenbremse im Grundgesetz keinen größeren Teil der Ausfälle übernehmen. Von 2011 bis 2016 muss der Bund jedes Jahr zehn Milliarden Euro zusätzlich einsparen.

Die FDP hat ihre Steuersenkungspläne nach dem monatelangen Streit in der Koalition bereits abgespeckt. Sie will kleine und mittlere Einkommen 2012 noch um 16 Milliarden Euro entlasten. Die CSU wiederum will 2011 mit Entlastungen beginnen. Schäuble sagte, im ersten Schritt solle man sich auf Vereinfachungen im Steuersystem konzentrieren. Ein Konzept zur Einhaltung der Schuldenbremse und zur Steuerpolitik will die Koalition nach der NRW-Wahl im Zuge der Haushaltsaufstellung für 2011 vorlegen.

Im Koalitionsvertrag hatten Union und FDP auch beschlossen, das Mehrwertsteuer-Dickicht zu lichten. Neben dem normalen Satz von 19 Prozent gilt für über 50 Produktgruppen ein ermäßigter Satz von sieben Prozent. Wirtschaftsverbände und Steuerexperten kritisieren, diese Subventionen seien oft nicht nachvollziehbar, so gilt für Hundefutter der ermäßigte, für Spielzeug der normale Satz. In der Debatte ist ein einheitlicher Satz von 16 Prozent.

Schäuble erteilte solchen Überlegungen eine Absage. Zwar gebe es wegen der unterschiedlichen Sätze ein „unvermeidliches Elend“. Die Vorstellung eines einheitlichen Satzes sei aber wegen zahlreicher Widerstände unrealistisch. Die Regierung will im Sommer eine Kommission einsetzen, die Reformvorschläge machen soll. Schäuble sagte, das heiße nicht, dass die Kommission schon in diesem Jahr ein abschließendes Ergebnis vorlegen werde.

Handwerkspräsident Otto Kentzler forderte auf dem Kongress erneut eine Einkommenssteuerstrukturreform, mit der die kalte Progression abgemildert werden soll. Der Effekt tritt auf, wenn Steuerzahler wegen Lohnerhöhungen automatisch in eine höhere Belastungszone des starren Steuertarifs rutschen. Schäuble sagte, er wisse um das Problem, das aber überschätzt werde. Er warnte deshalb vor zu hohen Erwartungen an eine Steuerreform.