Berlin. Die Spitzen von Union und FDP wollen in den völlig festgefahrenen Steuerstreit mit den CDU-geführten Ländern Bewegung bringen. Das Thema wird die erste Sitzung des Koalitionsausschusses von Schwarz-Gelb heute in Berlin beherrschen. Ihm gehören die Partei- und Fraktionschefs von CDU/CSU und FDP sowie Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP), Kanzleramtsminister Ronald Pofalla und die parlamentarischen Geschäftsführer an.

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wird unter anderem überlegt, das besonders umstrittene Steuerprivileg für Hotels zu kippen und stattdessen ein Sonderprogramm für das Gastgewerbe aufzulegen. Außerdem wird erwogen, dass einzelne Länder nicht abgerufene Gelder aus dem bisherigen Konjunkturprogramm gegen die Wirtschaftskrise behalten können. Ferner wird ausgelotet, Ländern wie Schleswig-Holstein aus dem 115 Milliarden Euro umfassenden "Deutschlandfonds" Mittel für die Werftenindustrie bereitzustellen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) versuchen dennoch, den Eindruck vermeiden, dass einzelne Länder ihre Zustimmung im Bundesrat mit Ausgleichszahlungen "erkaufen" können. Schwarz-Gelb hat in der Länderkammer nur eine knappe Mehrheit. Wenn eines der CDU-FDP-regierten Länder nicht mitzieht, droht das Gesetz zu scheitern. Der Bundesrat will am 18. Dezember über das "Wachstumsbeschleunigungsgesetz" entscheiden. Kern der von Januar an geplanten Steuersenkungen von 8,5 Milliarden Euro jährlich sind Entlastungen für Familien. Profitieren sollen auch Firmen und Erben.

Vor allem Schleswig-Holstein macht Front gegen die Pläne. Kiel verweist wie andere CDU-geführte Bundesländer auf die angespannte Haushaltslage und wehrt sich gegen weitere Einnahmeverluste in den Länderetats. Auch Ökonomen und Verbände kritisieren die Steuerpläne.

Kiels Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) bekräftigte gestern seine Kritik: "Das ist ein Geschäft, das ich mir nicht leisten kann. Und das ist auch der Grund, weshalb ich den Finger hebe und sage: Da müssen wir eine andere Lösung finden", sagte er. Der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer warnte seine CDU-Kollegen daraufhin mit harschen Worten davor, die geplanten Steuersenkungen im Bundesrat zu blockieren. "Das ist im Wahlkampf versprochen worden, und ich empfehle uns, nicht zu Tricksilantis zu werden", sagte Seehofer in Anspielung auf den Wortbruch der früheren hessischen SPD-Chefin Andrea Ypsilanti.

Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sagte indes dem Fernsehsender N 24, er habe "gar keinen Zweifel", dass Kanzlerin Merkel die Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag auch bei den skeptischen Unions-Ministerpräsidenten durchsetzen werde. "Ich sehe dem gelassen entgegen und bin sicher: Am Schluss werden wir eine Lösung haben, die das Wachstumsbeschleunigungsgesetz auf den Weg bringt", so der Liberale. SPD-Chef Sigmar Gabriel nannte es hingegen absehbar, dass das Wachstumsbeschleunigungsgesetz die parlamentarischen Hürden nicht nehmen werde. Dies habe aber auch sein Gutes, da es Ländern, Städten und Gemeinden finanzielle Grundlagen entziehe, etwa für Investitionen in die Bildung. Den Ländern allein würden pro Jahr zwölf Milliarden Euro fehlen. "Dies bedeutet den Ruin der Länder- und Kommunalfinanzen."

Der Finanzausschuss des Bundestags beriet gestern in öffentlicher Sitzung über das Paket, geladen waren 45 Sachverständige. Der Paritätische Wohlfahrtsverband übte scharfe Kritik und warnte vor tiefen sozialen Verwerfungen. Der vorliegende Gesetzentwurf verschärfe die Kluft zwischen Arm und Reich und verenge die Spielräume von Ländern und Kommunen zur Finanzierung der sozialen Infrastruktur, erklärte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider.

"Wenn Gutverdiener ein Steuergeschenk von rund 430 Euro pro Jahr bekommen, während Millionen Familien, deren Hartz-IV-Regelsatz vorne und hinten nicht reicht, leer ausgehen, dann hat das mit sozialer Gerechtigkeit nichts mehr zu tun", sagte Schneider.