Finanzminister präsentiert die Prognose der Steuerschätzer, will aber jetzt nicht diskutieren, was Deutschland sich noch leisten kann.

Berlin. Mit Spitzen gegen die FDP und ihr Entlastungsvorhaben hielt sich der Finanzminister gestern zurück, als er in Berlin die Ergebnisse der neuen Steuerschätzung präsentierte.

Wohl auch, um die Liberalen nicht noch weiter gegen sich aufzubringen - unmittelbar vor Beginn der, wie er selbst prophezeite, "schwierigen" Verhandlungen über weitere Steuersenkungen und dann notwendige Einsparungen an anderer Stelle. Über all das, worüber bis zur Wahl in Nordrhein-Westfalen am kommenden Sonntag im Detail nicht gesprochen werden sollte. Einer klaren Antwort zur Möglichkeit der von den Liberalen eingeforderten Steuersenkungen enthielt sich der CDU-Mann diesmal aber.

Fest steht: Bund, Länder und Gemeinden dürften der nun beschlossenen Vorhersage zufolge frühestens 2013 wieder so viel einnehmen wie 2008. Bis dahin belaufen sich die Mindereinnahmen des Staates gegenüber der vorherigen Schätzung auf rund 39 Milliarden Euro. Die Entscheidung, ob und wann vor diesem Hintergrund welche Steuersenkungen kommen könnten, treffe die Koalition in den kommenden Wochen bis zur Aufstellung des Bundeshaushalts 2011 im Juni, sagte der Minister. "Es ist nicht Sache des Bundesfinanzministers, über Prioritäten der Politik zu entscheiden", gab er den Ball indirekt an Angela Merkel (CDU) zurück, die als Kanzlerin über die Richtlinienkompetenz verfügt. Es gebe Spielraum für Steuersenkungen, aber nur unter der Voraussetzung, dass gespart werde. "Zahlen lügen nicht", sagte Schäuble.

Die Ergebnisse der neuen Steuerschätzung bilden, soweit sie den Bund betreffen, die Grundlage für den Entwurf des Bundeshaushalts 2011 sowie die Fortschreibung des Finanzplans bis 2014. Nach den in der Regel zuverlässigen Erkenntnissen des Arbeitskreises bleiben die Einnahmen von Bund, Ländern und Kommunen 2010 um 1,2 Milliarden Euro unter dem Wert der Novemberschätzung. Dies ergibt sich aus einem Minus von 6,0 Milliarden Euro besonders durch das seither verabschiedete Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Dem gegenüber steht ein Plus von 4,8 Milliarden Euro aufgrund der besseren Konjunkturlage.

In den drei Folgejahren betragen die Mindereinnahmen insgesamt 37,7 Milliarden Euro, verglichen mit der Schätzung vom Mai 2009. Davon entfallen minus 26,8 Milliarden Euro auf die Änderungen des Steuerrechts und minus 10,9 Milliarden Euro auf Schätzabweichungen. Hier spielt auch die steuerliche Anrechenbarkeit von Krankenversicherungsbeiträgen eine Rolle. Von der negativen Schätzabweichung sind Länder und Kommunen stärker betroffen als der Bund. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) sagte dem Hamburger Abendblatt: "Angesichts dieser Zahlen ist klar: Wer jetzt noch von Steuersenkungen redet, ist ein gefährlicher Fantast. Es ist höchste Zeit, dass sich die Bundesregierung endgültig von ihren Steuersenkungsplänen verabschiedet. Ich finde es hoch problematisch, wenn die Bundesregierung jetzt von harten Sparmaßnahmen redet, aber vor der Nordrhein-Westfalen-Wahl keinerlei Ansätze zum Handeln erkennen lässt. Das zeigt, wie schwach diese Bundesregierung ein halbes Jahr nach ihrem Antritt ist." SPD-Vize Klaus Wowereit warf der schwarz-gelben Bundesregierung vor, die Kommunen mit ihrer Steuerpolitik in den Ruin zu treiben.

FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger konterte auf solche Vorhalte, der Staat habe keine Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem. Die FDP sei bereit, im Haushalt für die notwendigen Spielräume für steuerliche Entlastungen zu sorgen.

Tatsächlich könnten sich nach Schätzungen des Bundes der Steuerzahler allein 30 Milliarden Euro Steuergelder pro Jahr einsparen lassen, die derzeit verschwendet würden. Beispielhaft genannt werden die Überschreitung von Baukosten, wertlose Gutachten, teure Schildbürgerstreiche und überbordende Bürokratie. Aber auch ein Abbau von Subventionen wird diskutiert. So gewährt der Bund in diesem Jahr 6,8 Milliarden Euro an direkten Finanzhilfen. Größter Brocken sind die Zuschüsse für den Steinkohle-Absatz mit 1,55 Milliarden Euro. Viel Geld fließt auch in die Landwirtschaft, darunter 501 Millionen Euro in die Verbesserung der Agrarstruktur und weitere 300 Millionen in das Grünlandmilchprogramm. Viele Experten sehen hier ebenso Sparpotenzial wie bei den Personalausgaben. Diese stiegen im Krisenjahr 2009 etwa bei den Kommunen um 4,9 Prozent auf 44,3 Milliarden Euro.

Auch im Gesundheitsbereich gibt es nach Erkenntnissen des RWI-Instituts erhebliche Effizienzreserven, bemängelt werden überhöhte Preise bei Leistungen der Krankenhäuser und Arztpraxen, Überkapazitäten bei Krankenhäusern und überzogene Handelsmargen bei Arzneimitteln. Bis zu 9,8 Milliarden Euro ließen sich hier einsparen. Zum Vergleich: Die Kosten einer Korrektur am Mittelstandsbauch in der Besteuerung werden in Koalitionskreisen auf acht Milliarden geschätzt.