Steuersenkungen seien eine “grausige Vorstellung“. Offenbar denken mehrere CDU-Ministerpräsidenten ähnlich wie Hamburgs Erster Bürgermeister.

Berlin. In der Union ist ein neuer Konflikt über den Kurs in der Steuerpolitik entbrannt. Hamburgs Regierungschef Ole von Beust erteilte Steuersenkungen in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa eine klare Absage. In der Unions-Spitze wird nach einem Bericht der „Leipziger Volkszeitung“ (Samstag) erwartet, dass weitere CDU- Ministerpräsidenten unmittelbar nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen an diesem Sonntag auf eine Absage an Steuersenkungen drängen werden. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ berichtet, dass Hessens Regierungschef Roland Koch bereits Kanzlerin Angela Merkel (beide CDU) zum Verzicht darauf aufgefordert hat.

Beust sagte der dpa: „Im Moment wären Steuersenkungen eine grausige Vorstellung für die Länder und vor allem auch für viele Kommunen.“ Hamburg bezahle schon jetzt für das Anfang des Jahres in Kraft getretene Wachstumsbeschleunigungsgesetz mehr als 100 Millionen Euro im Jahr. „In internen Gesprächen, von denen es eine Reihe gibt, wird sehr dringlich darauf hingewiesen, dass es im Moment nicht bezahlbar ist“, sagte Hamburgs Bürgermeister.

In der Unions-Spitze wird laut „Leipziger Volkszeitung“ die Forderung nach Klarheit unmittelbar nach der Wahl in Nordrhein- Westfalen lauter. Entweder die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende spreche von sich aus Klartext „oder wir Ministerpräsidenten aus unserer Verantwortung für das Gemeinwohl heraus sorgen für ein vorläufiges Ende der Steuerdebatte“, zitiert das Blatt einen namentlich nicht genannten Regierungschef. Angesichts eines jährlichen Konsolidierungsbedarfs, der inzwischen eher bei 15 als bei 10 Milliarden liege, verspiele man andernfalls „jegliche Glaubwürdigkeit bei den Wählern, die sehr wohl um die Bedeutung von geordneten Haushaltsverhältnissen wissen“.

Hintergrund der neuen Debatte ist die jüngste Steuerschätzung. Danach müssen sich die öffentlichen Haushalte bis Ende 2013 auf 39 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen einstellen als bisher geplant. Besonders betroffen sind die Kommunen. Die FDP beharrt dennoch auf weiteren Milliarden-Steuersenkungen bis Ende 2013. Sollten CDU und FDP in Nordrhein-Westfalen an diesem Sonntag die Mehrheit verlieren, hätte Schwarz-Gelb auch im Bundesrat keine Mehrheit mehr. Dann würden Steuersenkungen unwahrscheinlicher.

Bei einem Treffen der Unions-Regierungschefs mit Merkel am vergangenen Donnerstagabend in Berlin hat Koch nach Angaben des „Spiegel“ verlangt, die Bundesregierung müsse definitiv erklären, dass in dieser Legislaturperiode Steuersenkungen nicht mehr möglich seien. Merkel habe es aber abgelehnt, weiteren Steuersenkungen eine endgültige Absage zu erteilen. Ein solcher Schritt würde einen offenen Affront gegenüber dem Koalitionspartner FDP darstellen.

Angesichts der großen Haushaltslöcher sei ein Verzicht ein Gebot der Ehrlichkeit gegenüber den Bürgern, habe Koch gesagt. Neben dem hessischen Regierungschef Koch hätten auch der saarländische Ministerpräsident Peter Müller und dessen schleswig-holsteinischer Kollege Peter Harry Carstensen (beide CDU) auf die extrem angespannte Lage in ihren Landeshaushalten hingewiesen. Streitpunkt in der Runde war laut „Spiegel“ auch das im Koalitionsvertrag vereinbarte Ziel, bis 2015 zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildung und Forschung auszugeben. Koch stellte in der Runde infrage, ob sich ein solches Projekt angesichts neuerlicher Steuerausfälle noch halten lässt.