Ob der italienische Übergangs-Premier die Unterstützung der Parteien hat, ist fraglich. Monti sucht die Mehrheit in beiden Kammern.

Rom. Einen Tag nach dem Rücktritt Silvio Berlusconis vom Amt des Ministerpräsidenten hat Präsident Giorgio Napolitano den parteilosen 68-jährigen Wirtschaftsprofessor Mario Monti mit der Bildung einer neuen präsidialen Übergangsregierung bis zu den nächsten regulären Wahlen beauftragt. Der neue Mann aus Mailand nahm den Auftrag unter dem Vorbehalt an, dass es ihm dafür gelingen müsse, in beiden Kammern eine stabile neue Mehrheit für sich zusammenzubringen, aber auch mit der Zuversicht, dass "Italien sich befreien" werde.

In einer kurzen Ansprache betonte der neue Hoffnungsträger Roms und Europas für die Bewältigung der Schuldenkrise, dass Italien "ein Element der Stärke und nicht der Schwäche" sein müsse. Er werde nach seinen Möglichkeiten versuchen, das zu erreichen, und möchte dafür die Verschuldung eindämmen, das Wirtschaftswachstum fördern und im Interesse der neuen Generationen soziale Ausgewogenheit garantieren. Nach ersten Sondierungen, die schon in den Tagen zuvor hinter den Kulissen stattgefunden hatten, traf er am Montag zu Konsultationen mit Vertretern verschiedener Parteien von der Lega Nord bis zur Tiroler Volkspartei zusammen, um sich über die Breite und Tiefe der Unterstützung zu informieren, mit der er im Parlament rechnen darf. Mit der Partei Silvio Berlusconis (Volk der Freiheiten) und der oppositionellen Demokratischen Partei unter Pierluigi Bersani will er heute zusammentreffen. Abgeordnete dieser beiden größten Parteien Italiens haben ihm - Berlusconi eingeschlossen - ihre Unterstützung für eine neue Regierungsmannschaft schon zugesagt, mit der er das Schicksal des Landes so bald wie möglich wenden will.

Am späten Dienstagnachmittag könnte die Konsultationsphase mit Begegnungen von Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern enden. Im Kern geht es bei diesen Gesprächen weniger um sein Programm als um die Zusammensetzung des geplanten Kabinetts, von dem es vorab schon hieß, Mario Monti wolle dafür zwölf Fachleute und keinen einzigen Politiker als Minister berufen - bis auf Giuliano Amato, den zweimaligen Premier (in den Jahren 1992 bis 1993 und 2000 bis 2001) und Innenminister unter Romano Prodi (von 2006 bis 2008), den er als Außenminister will. Finanzminister soll Guido Tabellini werden, Rektor der Wirtschaftsuniversität Bocconi in Mailand. Diese Pläne eines fast reinen Expertenkabinetts dürften nicht nur auf Zustimmung stoßen, besonders nicht bei der politischen Klasse. Die beherrscht natürlich nach wie vor die beiden Kammern des italienischen Parlaments, und der Widerstand gegen ein Technokratenkabinett dürfte aus allen Parteien kommen.

Im Einzelnen sieht die Sache jedoch positiver für den weltgewandten Newcomer im Labyrinth des römischen Machtgefüges aus. Die bisher staatstragende Partei Berlusconis unterstützt ausdrücklich ein neues Kabinett aus Technokraten. Wichtiger ist ihnen, dass kein erklärter Berlusconi-Gegner an diesem Tisch sitzt. Dafür haben sie sogar ihre ursprüngliche Forderung fallen lassen, auch Gianni Letta, den tüchtigsten Berater des Cavaliere, als eine Art modernen Richelieu im nächsten Kabinett unterzubringen. Nach Umsetzung der wichtigsten Reformen soll nach ihrem Willen das Kabinett Monti zurücktreten. Die bisher oppositionelle Demokratische Partei (PD) stützt ebenfalls eine neue Expertenregierung, die aber nicht nur die Wirtschaft, sondern auch das Wahlgesetz reformieren soll. Nach dem Willen Pierluigi Bersanis sollte es am besten in den Zustand des bis 2008 geltenden reinen Proporzsystems zurückversetzt werden, ohne Mehrheitsprämie für den Wahlsieger.

Der neue Zentrumsblock eines sogenannten Dritten Pols um den Parlamentspräsidenten und erbitterten Berlusconi-Gegner Gianfranco Fini will mit seinen 100 Abgeordneten das neue Kabinett bis zum Ende der Legislaturperiode 2013 unterstützen. Die oppositionelle Mitte-links-Partei "Italien der Werte" (IdV) unter dem noch erbitterten Berlusconi-Feind Antonio Di Pietro ist grundsätzlich skeptisch gegenüber einer "Regierung unter der Kontrolle der Finanz". Aber sie will das Ganze billigen, wenn dafür das Wahlgesetz geändert wird. In Fundamentalopposition zu Monti verharrt hingegen nur die rechtspopulistische Lega Nord, die dafür sogar die seit 2001 bestehende Allianz mit Berlusconi bricht.

Auf jeden Fall sollen die Gespräche mit allen Partnern rasch stattfinden, hat Monti erklärt. Danach werde er Präsident Napolitano mitteilen, ob er das Amt des neuen Regierungschefs annehmen wird.

Das Zögern ist verständlich. Denn noch hat Napolitanos "klares Signal" des Regierungswechsels kaum Auswirkungen auf den Finanzmarkt gehabt, wo die hoch verschuldete, drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone das Vertrauen wiedergewinnen will. Noch nie seit Einführung des Euro musste Italien den Investoren für fünfjährige Staatsanleihen so hohe Zinsen wie jetzt zahlen. Das Übel einer kulturell tief verankerten Neigung zur Steuerhinterziehung und die organisierte Kriminalität, die Ex-Premier Romano Prodi für "die großen Anomalien Italiens" hält, wird keine Regierung im Handumdrehen aus der Welt zaubern können.