Zwei Abgeordnete kehren Berlusconi den Rücken - Andere Parlamentarier wollen neue Regierung - Berlusconi zeigt sich siegesgewiss und sagt IWF-Kontrollen zu

Rom/Cannes. Die Tage Silvio Berlusconis als italienischer Ministerpräsident scheinen gezählt. Nach dem Austritt zweier Abgeordneter aus der regierenden Partei der Freiheit (PDL) hängt das politische Schicksal des 75-Jährigen am seidenen Faden. Berlusconi zeigte sich vom Zerrinnen seiner Parlamentsmehrheit unbeeindruckt und verkündete nach dem G20-Gipfel in Cannes am Freitag, er wolle im Amt bleiben. Bei den Gesprächen am Rande des Gipfels der 20 führenden Industrie- und Schwellenländern stimmte er zu, die Reformbemühungen zum Abbau der immensen Schuldenlast zusätzlich zur EU auch vom Internationalen Währungsfonds (IWF) kontrollieren zu lassen.

Die Zusagen Berlusconis werden angesichts der zunehmend gefährlicher werdenden Revolte im eigenen Lager für sein politisches Überleben womöglich irrelevant werden. Die Risikoaufschläge für zehnjährige italienische Staatsanleihen stiegen am Nachmittag auf ein Rekordhoch von 463 Basispunkte, was den Druck auf die Regierung weiter erhöhte.

Durch den Wechsel zweier PDL-Abgeordneter zur oppositionellen Zentrumspartei UDC verlor der in zahlreiche Sex- und Korruptionsaffäre verstrickte konservative Regierungschef seine ohnehin knappe Mehrheit im Parlament. Er kann sich nur noch auf 314 von 630 Stimmen stützen. Zudem gibt es im Lager der Mitte-Rechts-Koalition mindestens sieben Abgeordnete, die eine neue Regierung fordern und bei der nächsten Abstimmung gegen den Medienmilliardär stellen könnten. „Die Mehrheit scheint wie ein Schneemann im Frühling zu schmelzen“, kommentierte die Wirtschaftszeitung „Il Sole 24 Ore“ die Entwicklung.

Selbst enge Gefolgsleute des Regierungschefs bezweifeln, dass sich der Cavaliere noch lange an der Macht halten kann. „Ich weiß nicht, wie viele Tage oder Wochen der Regierung noch bleiben“, sagte Verteidigungs-Staatsekretär Guido Crosetto. Eine Regierung, die sich nur auf wenige Stimmen stützen könne, habe keine große Zukunft.

Berlusconi zeigte sich in Cannes zuversichtlich, seine Mehrheit und damit das Amt behalten zu können. Auch eine ins Gespräch gebrachte Regierung von Technokraten sei nicht notwendig. „Ich glaube, dass es dafür keine Notwendigkeit gibt, weil die Regierung über eine solide Mehrheit im Parlament verfügt“, sagte der Ministerpräsident. Zudem könne niemand Italien so überzeugend im Ausland vertreten wie er.

Berlusconi, der unverändert einer der einflussreichsten Männer Italiens ist, dürfte am Wochenende versuchen, sich eine neue Mehrheit im Parlament zu sichern. Er kündigte in Cannes an, die Abstimmung über eine Haushaltsgesetz mit der Vertrauensfrage zu verknüpfen. Dies soll innerhalb von 15 Tagen geschehen.

Italien ist mit seinem Schuldenstand von 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nach Griechenland die nächste Schwachstelle in der Eurozone. Die drittgrößte Volkswirtschaft in der Gemeinschaftswährung ist indes zu groß für die bislang vereinbarten Rettungsmaßnahmen.

Um das Vertrauen der Finanzmärkte wiederzugewinnen stimmte Berlusconi in Cannes zu, die Reformanstrengungen alle drei Monate auch vom IWF kontrollieren zu lassen. „Ich sehe das als Beweis dafür, wie wichtig Italiens Reformprozess für das Land und die gesamte Eurozone ist“, sagte EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy sagte, Berlusconi wisse, dass die Märkte an der Umsetzung der Sparmaßnahmen zweifelten.

Das Reformprogramm sieht unter anderem eine Erhöhung des Rentenalters, Lockerungen am Arbeitsmarkt und Privatisierungen vor. Damit soll die seit Jahren anhaltende Wachstumsschwäche überwunden werden. Italien kämpft um das Vertrauen der Finanzmärkte. Zuletzt verlangten Anleger für Staatsanleihen mehr als sechs Prozent Zinsen. Will sich die Bundesrepublik Geld leihen, werden zurzeit weniger als zwei Prozent Zinsen fällig.