Augenzeugen berichten von Luftangriffen auf die von Rebellen besetzte Stadt Adschdabija. Gaddafis Gegner wollen Intervention der USA.

Tripolis. Der internationale Druck auf Libyens Staatschef Gaddafi wächst stetig. Die USA überdenken die diplomatischen Beziehungen zu Tripolis. Nach US-Medienangaben diskutiert die Opposition ein militärisches Eingreifen des Westens mit UN-Mandat.

Augenzeugen melden unterdessen einen Luftangriff auf die von Rebellen gehaltene ostlibysche Stadt Adschdabija. Aus dem Osten des Landes berichteten zudem weitere Augenzeugen, Staatschef Muammare Gaddafi ergebene Truppen hätten eine wichtige Ölanlage in Brega zurückerobert.

Wegen des brutalen Vorgehens gegen Regierungsgegner wurde Libyen am Dienstagabend offiziell aus dem UN-Menschenrechtsrat in Genf ausgeschlossen. Die Regierung von US-Präsident Barack Obama denkt darüber nach, ob sie die diplomatische Beziehung zu Libyen abbrechen soll, sagte ein hoher Beamter dem US-Nachrichtensender CNN in der Nacht zum Mittwoch. Die EU und die UN verhängten weitreichende Sanktionen vor allem gegen den Gaddafi-Clan. Mehr als zwei Drittel der 192 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen stimmten am Dienstag bei einer Plenarsitzung der UN-Vollversammlung für den Ausschluss Libyens aus dem Menschenrechtsrat. Nie zuvor war die Weltorganisation in dieser Form gegen ein aktives Mitglied vorgegangen. Oppositionelle diskutieren nach US-Medienberichten jetzt sogar darüber, den Westen zu bitten, mit Luftangriffen unter UN-Mandat zum Sturz von Gaddafi beizutragen.

Wie die „New York Times“ und die „Washington Post“ am Dienstag online unter Berufung auf mehrere Mitglieder des Revolutionsrates berichteten, sollten Angriffe auf Luftwaffenbasen und Kommunikationszentren geflogen sowie die Küste überwacht werden. Bisher gibt es keine Anzeichen, dass die Mitglieder des UN-Sicherheitsrates einer solchen Anfrage stattgeben würden. US-Verteidigungsminister Robert Gates sieht zur Zeit keine Militärintervention in Libyen. Er sagte am Dienstag, es gebe keine Übereinkunft mit der Nato über einen Einsatz von Militär. Die USA wollten nicht in einen Krieg im Nahen Osten ziehen. Der Pentagonchef bekräftigte zwar, dass die USA eine Reihe von Militäroptionen prüften. Es sei aber noch keine Entscheidung gefallen, sagte er auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Generalstabschef Mike Mullen in Washington. Beide betonten, dass alle diese Optionen über humanitäre Maßnahmen und Evakuierungen hinaus „sehr komplex“ seien.

Selbst die Einrichtung einer Flugverbotszone wäre mit großem Aufwand verbunden, der zwangsläufig zu militärischen Operationen führen könne. Die USA verlegen nach Angaben von Gates zwei Kriegsschiffe ins Mittelmeer, für humanitäre Hilfe und etwaige Evakuierungen. Kanada entsendet eine Fregatte ins Mittelmeer, um dort mögliche internationale Aktionen im Zusammenhang mit der Libyen-Krise zu unterstützen. US-Außenministerin Hillary Clinton warnte vor einem langjährigen Bürgerkrieg in Libyen. „In den kommenden Jahren kann Libyen zu einer friedlichen Demokratie werden oder es könnte in einen langwierigen Bürgerkrieg stürzen“, sagte die Ministerin am Dienstag vor einem Kongressausschuss. „Während die gesamte Region im Umbruch begriffen ist, wird eine starke und strategische Antwort der Vereinigten Staaten entscheidend sein.“ Clinton wiederholte ihre Drohung an Gaddafi, dass die USA „keine Option vom Tisch nehmen, solange die libysche Regierung weiter ihre Waffen gegen das eigene Volk richtet“. Der Strom von Flüchtlingen stellt Libyen und seine Nachbarn vor immer größere Probleme. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR sprach am Dienstag von mehr als 140 000 Menschen, die Libyen Richtung Ägypten und Tunesien verlassen haben. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) beobachtet die Lage mit Sorge. „Es ist höchste Zeit, dass wir den Menschen bei ihren dringendsten Bedürfnissen helfen können und die Hilfsorganisationen in den Rest des Landes hineinkommen“, sagte IKRK-Sprecherin Anna Nelson. Vor allem die Entwicklung in dem noch vom Gaddafi-Regime beherrschten Westen Libyens mit der Hauptstadt Tripolis sei alarmierend. Die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten kommen am 11. März zu einem Libyen-Sondergipfel zusammen.

Währenddessen sollen Truppen des libyschen Staatschefs Muammar Gaddafi zwei Orte in der Umgebung der Hauptstadt von den Rebellen zurückerobert haben.

Dabei handele es sich um die strategische wichtige Stadt Gharjan im Nafussa-Gebirge bei Tripolis, berichtete ein Einwohner am Dienstag. Nach Angaben der Gaddafi-Truppen wurde auch der Ort Sabratha westlich der Hauptstadt wieder eingenommen, in dem in der vergangenen Woche mehrmals die Kontrolle zwischen Kräften des Regimes und den Aufständischen hin und her ging.

Gharjan war am vergangenen Freitag von den Rebellen eingenommen worden, berichtete der Einwohner der Nachrichtenagentur AP. Nach der Rückeroberung hätten Gefolgsleute Gaddafis Offiziere festgenommen, die zu der Opposition übergelaufen seien. Es seien Suchlisten mit den Namen Oppositioneller erstellt worden. Die Fahndung habe sofort begonnen.

Angriffe auf die von der Protestbewegung gehaltene Stadt Sawija seien am Dienstag erneut abgewehrt worden, berichteten Einwohner aus der 50 Kilometer westlich von Tripolis gelegenen Stadt. Auch Versuche von Gaddafis Truppen, die Kontrolle über einen umkämpften Luftwaffenstützpunkt bei Misrata auszuweiten, seien gescheitert, hieß es von dort. (dapd/dpa)