Nordkorea will wieder über sein Nuklearprogramm verhandeln und erwartet Lebensmittelhilfe. Aufgeben will das Regime seine Pläne aber keineswegs.

Peking. Die von den USA aufgestellten hohen Hürden vor einer Wiederaufnahme der seit 2009 ausgesetzten Sechs-Parteien-Gespräche sind nach der Bereitschaft der Führung Nordkoreas, sich auf ein Moratorium im Atomstreit einzulassen, tiefer gehängt worden. Aber sie sind noch da. Pjöngjangs geschickte Verhandlungsführer bauen ihrerseits sogar neue auf. Das ist das kritische Fazit von Chinas Nordkoreaexperten und Forscher an der Parteihochschule Zhang Liangui über die jüngsten Verhandlungen zwischen Washington und Pjöngjang.

Als am Mittwoch erste Details bekannt wurden, hatten sie sich noch nach einem Durchbruch angehört: Nordkorea hatte im Gegenzug für von den USA zugesagte Lebensmittel angekündigt, vorläufig auf Tests von Atomwaffen und Langstreckenraketen zu verzichten. Ebenfalls will es seine Herstellung von waffenfähigem Uran aussetzen und der Atomenergiebehörde (IAEA) erlauben, dies auch vor Ort an der Reaktoranlage Yongbyon zu überprüfen. Washington wertete diese Zusagen als Mindestbedingungen für seine Teilnahme an einem Neubeginn der Sechs-Parteien-Verhandlungen. US-Außenministerin Hillary Clinton kommentierte allerdings, sie wolle nun "Taten sehen".

Nach Ansicht von Zhang ist aber bislang nichts von dem, was Nordkorea den USA versprochen hat, neu. Schlimmer noch: Nordkorea wiederholt nicht mehr das einstige Bekenntnis, seine Atomwaffen völlig aufgeben zu wollen. Während die USA für handfeste Getreidelieferungen sorgen, revanchiert sich Pjöngjang mit einer Reihe von Versprechungen, die es jederzeit rückgängig machen kann. Das hat es früher schon so getan. "Das alles ist ein Erfolg für Nordkoreas Außenpolitik. Sie ist nach wie vor die unveränderte Außenpolitik der Ära Kim Jong-il."

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Zhang würdigt, dass die USA und Nordkorea wieder einen aktiven Dialog führen. Er ist skeptisch, ob dieser zur Wiederaufnahme der Sechs-Parteien-Gespräche führt. Pjöngjang hätte inzwischen eine andere Agenda für diese Gespräche als die weiteren Teilnehmer. 24 Stunden nachdem die Vereinbarung zwischen USA und Nordkorea bekannt wurde, die inzwischen offiziell von Peking bis Seoul, von Berlins Außenminister Guido Westerwelle bis zu Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon als positives Zeichen gewürdigt wird, veröffentlichte die Nachrichtenagentur KCNA in englischer Sprache den vollen Wortlaut der Stellungnahme des nordkoreanischen Außenministeriums.

Der Teufel steckt im Detail: Neben der Zusage Pjöngjangs zum Moratorium, für das die USA "240 000 Tonnen Nahrungsmittelhilfe liefern und weitere zusätzliche Lebensmittelunterstützung in Aussicht stellen", steht dort auch, worüber Nordkorea bei den Sechs-Parteien-Gesprächen mit sich reden lassen will: Wörtlich heißt es, dass die USA diesmal während ihrer Verhandlungen mit Nordkorea "klargemacht haben, dass sie mit den Sanktionen gegen die DPRK (Nordkorea) nicht auf den Zivilbereich und auf das Leben des Volkes zielen. Sobald die Sechs-Parteien-Gespräche wieder aufgenommen sind, werden dort hauptsächlich die Aufhebung der Sanktionen und die Bereitstellung von Leichtwasserreaktoren diskutiert werden."

So wollen es zumindest Nordkoreas Verhandlungsführer. Sie verkehren damit die einstigen Zielsetzungen der Gespräche ins Gegenteil. Peking hatte sie 2003 ins Leben gerufen, um durch Dialog der betroffenen Länder die kritische Lage in der Region zu entspannen und die koreanische Halbinsel zu einer atomwaffenfreien Zone zu machen. In der Folge der extrem schwierigen Gespräche, die Pjöngjang 2009 schließlich aufkündigte, baute Nordkorea seine Atomaufrüstung immer weiter aus. Mit unterirdischen Tests 2006 und 2009 erklärte es sich zum atomar bewaffneten Staat, der heute sowohl über die Aufarbeitung von Brennstäben wie über die Anreicherung von Uran sein waffenfähiges Material gewinnt.

Hilflos reagierten die anderen fünf Parteien einschließlich China. Die Uno verhängte Sanktionen, die nun ausgerechnet Nordkorea im Rahmen der Sechs-Parteien-Gespräche wieder wegdiskutieren will. Auch die Forderung nach Leichtwasserreaktoren ist alt. Ende 1994 bot Pjöngjang nach einem Jahr Verhandlungen mit der damaligen US-Regierung unter Bill Clinton an, seinen Reaktorbau in Yongbyon und die potenzielle Entwicklung von Atomwaffen aufzugeben, wenn sein Bedürfnis nach Stromversorgung und Energie durch die Lieferung von Leichtwasserreaktoren und Rohöl erfüllt werde.

Die USA ließen sich darauf ein. Sie stellten ihren 1997 begonnenen Reaktorbau aber im Jahr 2002 wieder ein, als sie aufdeckten, dass Nordkorea insgeheim weiter waffenfähiges Plutonium produzierte. Nun stellt Pjöngjang seine alte Forderung nach der Lieferung von Leichtwasserreaktoren wieder auf, aber diesmal nicht mehr im Austausch für die Aufgabe seiner Atomrüstung, sondern nur für den Verzicht auf einen Teilbereich wie der Urananreicherung. Ein Atomstaat will es aber auf jeden Fall bleiben.

Der nordkoreanische Chef-Atomunterhändler wird nach Angaben aus Verhandlungskreisen in der kommenden Woche in den USA erwartet. Ri Yong-ho werde an einem Forum an der Syracuse University im US-Staat New York teilnehmen. Am Rande der von der Friedrich-Ebert-Stiftung mitorganisierten Veranstaltung werde Ri vermutlich mit Vertretern der US-Regierung zusammentreffen.