Iraks Diktator Saddam Hussein zeigte sich wenige Stunden nach den Einschlägen in Bagdad siegesgewiss im TV. Experten rätseln, ob er es wirklich war.

Hamburg. Saddam Husseins Kopf ist das erklärte Ziel der USA. Washington hatte Geheimdienstinformationen, in welchem Gebäude sich der irakische Diktator in der Nacht zum Donnerstag angeblich aufhielt. Wohl deshalb begann der Krieg mit dem Einsatz relativ weniger Marschflugkörper auf den vermuteten Aufenthaltsort Saddams und nicht mit dem erwarteten großen Schlag gegen das irakische Militär. Anscheinend haben die Präzisionswaffen aber ihr wichtigstes Ziel verfehlt: Saddam zeigte sich wenige Stunden nach den ersten Einschlägen in Bagdad siegesgewiss im Fernsehen. Nach Einschätzung israelischer Regierungsexperten handelte es sich dabei wahrscheinlich um eine "Direktübertragung" und keine Aufzeichnung. Ein Hinweis darauf könnte die große schwarze Brille sein, die Saddam bei seiner Ansprache trug. Normalerweise gilt Sehschwäche im Orient als körperliches Gebrechen - und damit als eines starken Despoten unwürdig. Bei einer vorbereiteten Aufzeichnung hätte sich der Diktator diese Blöße vermutlich nicht gegeben, sondern seine Worte vorher sorgfältig einstudiert, statt sie hastig vom Blatt abzulesen. Bleibt die Frage, ob der Mann in Uniform mit Brille und dem Barett auf dem Kopf auch tatsächlich der starke Mann von Bagdad war. "Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um Saddam Hussein gehandelt hat, ist sehr, sehr groß", sagte der Spezialist für Personen-Identifizierung, der Rechtsmediziner Dieter Buhmann, gestern in der der ARD. Buhmann sagte: "Ich habe kein einziges Merkmal feststellen können, das gegen die Identität der Person Saddam Hussein sprechen könnte." Auf Grund der schlechten Bildqualität der Aufnahme bleibe allerdings eine gewisse Unsicherheit von zwei bis fünf Prozent. Der Rechtsmediziner der Universität des Saarlandes ist mit seinem neuen Verfahren zur Identifizierung von Personen weltweit bekannt. Er hatte im September 2002 den Nachweis dafür erbracht, dass sich Hussein von mindestens fünf Doppelgängern vertreten lässt. Die USA zweifeln noch an der Echtheit Saddams, der gestern Abend erneut im Fernsehen auftrat. US-Präsidentensprecher Ari Fleischer sagte, die Fernsehausstrahlung werde von Spezialisten geprüft. Das ist weder eine leichte noch unwichtige Aufgabe. Denn seit Mitte der 90er-Jahre zeigt sich der irakische Präsident nur noch selten in der Öffentlichkeit. Fährt Saddam Hussein in einer Autokolonne, reisen mehrere Doppelgänger mit, um Mordversuche zu erschweren. In seinen Palästen bereiten Köche täglich alle Mahlzeiten zu, um seinen Aufenthaltsort zu verschleiern. Den wechselt er täglich. Nie verbringt er zwei Nächte hintereinander im selben Palast oder Bunker. Manchmal sucht er sich auch noch in der Nacht einen neuen Schlafplatz. Besucher werden vor Treffen mit Saddam Hussein meist stundenlang durch die Gegend chauffiert, damit sie die Orientierung verlieren. Übermäßiges Misstrauen bestimmt das Leben Saddams seit seiner Kindheit. Seine Jugend in El Oja am Ufer des Tigris war nicht einfach. Von anderen Kindern im Dorf wurde Saddam Hussein gehänselt und verprügelt. Deshalb gewöhnte er es sich an, stets einen Eisenstab mitzunehmen, wenn er aus dem Haus ging. Diese Episode schildert der britische Journalist Con Coughlin in seiner Biografie über den irakischen Staatschef. Diese früh entwickelte tief sitzende Vorsicht hat sich im Leben des Diktators - geprägt von Terror und von Putschversuchen gegen ihn - bis zur Paranoia ausgewachsen. "Wer mich kriegen will, muss in der Schlange warten", soll Saddam Hussein schon vor Jahren an die Adresse potenzieller Attentäter gesagt haben. "Tausende andere, die mich töten wollen, warten schon." Bisher hat er seinen Kopf stets aus der Schlinge ziehen können.